Bremer ÖTV forderte am radikalsten

■ Streikt der Öffentliche Dienst noch im April? / BSAG und Stadtwerke sind nicht betroffen

hier das foto

mit der Tafel

montag

Dienstag..

Noch ist im Veranstaltungskalender im Bremer DGB-Haus am Bahnhof nichts von hektischen Streik-Vorbereitungen zu spüren...Foto: Heller

Streikbereit zeigten sich gestern die Bremer ÖTV und DAG. Plakate, Urnen und Wahlverzeichnisse für die Urabstimmung, die direkt nach den Osterferien durchgeführt werden soll, liegen bereit. Stimmen 75 Prozent der ÖTV-Mitglieder dafür (70 Prozent bei der DAG), soll noch Ende April mit ersten Streiks begonnen werden. Obwohl sich die Tarifparteien in der Schlichtung bereits fast einig geworden waren — der Gewerkschaftsforderung von 5,4 Prozent stand ein Angebot von 5,0 Prozent gegenüber —, wird auf den Gewerkschaftstransparenten dann wieder die Ursprungsforderung von 9,5 Prozent stehen.

Zum letzten Mal hatte es im Februar 1974 einen — damals dreitägigen — Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst gegeben. „Ich halte nicht viel von Streiks, aber

wenn es diesmal dazu kommt, dann muß er länger dauern“, sagte gestern Harry Bauer, Personalratsvorsitzender beim Amt für Stadtreinigung. Erst wenn die Mülltonnen deutlich länger als drei Tage ungeleert blieben, würde sich der Streik in der Bevölkerung überhaupt erst richtig bemerkbar machen.

Die Müllabfuhr ist der Bereich des bremischen öffentlichen Dienstes, dessen Arbeitsverweigerung „die Bürger“ am deutlichsten spüren und in dem es die meisten Mitarbeiter auch organisierte Gewerkschaftsmitglieder sind: Rund 80 Prozent der Lohnempfänger im Amt für Stadtreinigung seien organisiert, sagt Harry Bauer.

Ihren Gesamtorganisationsgrad hält die Bremer ÖTV zwar streng geheim, über 50 Prozent dürfte er jedoch kaum liegen. Außerdem sind rund die Hälfte der 50.000 öffentlich Beschäftigten im Land Bremen Beamte und dürfen somit sowieso nicht streiken.

Im Unterschied zu anderen Städten würde sich ein Streik in Bremen auch nicht auf den Öffentlichen Nahverkehr oder die Gas- und Stromversorgung auswirken. Die drei großen Bremer Eigenbetriebe Stadtwerke, BSAG und Bremer Lagerhausgesellschaft haben eigene Haustarifverträge, über die derzeit nicht verhandelt wird.

Bemerkbar wäre ein Streik für die Bremer Bevölkerung deshalb neben der Müllabfuhr vor allem in Schulen und Kindergärten sowie bei Post und Bahn. Allerdings dürfen rund drei Viertel der Bremer Lehrer und die Mehrheit der Post- und Bahnangestellten als Beamte nicht streiken.

Trotzdem sehen Bremens ÖTV-Sekretär Holger Aebker und der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, Gerhard Tilsner, übereinstimmend eine große Streikbereitschaft. „Das hat auch damit zu tun, daß der Öffentliche Dienst in Bremen gerade einer massiven Sparwelle ausgesetzt ist“, vermutet Tilsner. Und Aebker weiß von der Unzufriedenheit in vielen Amtsstuben: „Im Senat werden es immer mehr Häuptlinge, aber die Indianer fehlen.“

Als kleine radikale Minderheit hatte der Bremer Vertreter in der Großen Tarifkommission der ÖTV, der Personalrat im Gartenbauamt Heiner Riehn, sogar gegen die Annahme des Schlichterspruchs von 5,4 Prozent gestimmt. „Am Anfang hatten wir innerhalb der ÖTV die niedrigste Forderung“, erinnert sich Aebker, „aber die haben wir tatsächlich ernst gemeint, so daß wir heute für die härteste Position stehen.“

Fritz Dopatka, als Staatsrat in der SKP für die Tarifpolitik des Senats zuständig, hat ausgerechnet, daß jeder Prozentpunkt mehr Lohn und Gehalt im Öffentlichen Dienst den Bremer Landeshaushalt mit 23 Millionen Mark belastet. Zwar hat der Finanzsenator in seiner Haushaltsplanung bereits eine Tariferhöhung von 4,5 Prozent einkalkuliert, würden am Ende aber doch 5,4 Prozent unterschrieben, müßten im Bremer Staatsetat rund 20 Millionen Mark an anderer Stelle eingespart werden. „Denn über neue Kredite ist das nicht zu finanzieren“, so Dopatka gestern.

Damit Bremens Beamte zumindest die Auftaktveranstaltung zum großen Streik im Öffentlichen Dienst live miterleben können, haben Gesamtpersonalrat und Gewerkschaften einen Trick ausgeheckt: Am 30. April wollen alle Personalräte ihre Sprechstunde mitten auf dem Marktplatz abhalten. Da nach dem Bremer Personalvertretungsgesetz jeder Staatsangestellte — und eben auch jeder Beamte — das Recht hat, in die Sprechstunde seines Personalrats zu kommen, rechnen die Gewerkschaften mit „mehreren tausend“ Teilnehmern. Gesamtpersonalrats-Chef Tilsner: „Im Gesetz steht nirgendwo, daß die Sprechstunden nicht auf dem Marktplatz stattfinden dürfen.“ Ase