ZUHÄLTERPARADIES DUBLIN? Von Ralf Sotscheck

Zuhälterei ist in Irland nicht nur illegal, sondern darüber hinaus moralisch höchst verwerflich. Das ist gesetzlich doppelt abgesichert: Zum einen sind Bordelle verboten, zum anderen untersagt ein Paragraph alles, was Ehe und Familie untergräbt. Bordelle gibt es in Dublin natürlich dennoch.

Jüngst klingelte ein Reporter vom BBC-Radio Four an der Tür einer solchen Einrichtung im alten Dubliner Hugenottenviertel Temple Bar. Das Haus war in die Schlagzeilen geraten, weil die Stadtverwaltung im Rahmen ihres Sanierungsprogramms vielen Mietern in dem Szeneviertel gekündigt, den Puff jedoch verschont hatte. Nachdem der Reporter gefragt hatte, was hinter der Tür vor sich gehe, antwortete eine Frauenstimme hinter eben dieser: „Sie wissen doch genau, was hier passiert.“ Auf die Beteuerung des Reporters, er sei völlig ahnungslos, bemerkte die Frau: „Dann fragen Sie ihre Mutter. Das hätte sie Ihnen schon vor 20 Jahren sagen müssen.“

Die Stadtverwaltung läßt wohl die Finger von dem Etablissement, weil sie mit ähnlichen Einrichtungen schlechte Erfahrungen gemacht hat. Schließlich hätte man sich nicht träumen lassen, daß Bordellbesitzer die scheinbar wasserdichte gesetzliche Regelung zur Steuerhinterziehung nutzen könnten. Um so erstaunter war man über einen Fall, der seit einer Woche die Gerichte beschäftigt. Ann Carolan war im Januar zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie ein Bordell in Dublin betrieben hat. Der Stadtverwaltung war offenbar zu Ohren gekommen, daß sich mit einem solchen Haus viel Geld verdienen läßt. So verlangte sie im Februar Gemeindesteuern in Höhe von ca. 4.620 Mark für die letzten sieben Jahre. Ann Carolan klagte jedenfalls gegen den Steuerbescheid. Ihre Argumentation war verblüffend: Sie erklärte, die Stadtverwaltung sei sowohl aus gesetzlichen als auch aus moralischen Gründen nicht berechtigt, die Steuer zu erheben. Es gebe einen Paragraphen, der es Personen und Institutionen untersage, Vorteile aus „unmoralischen Einkommensquellen“ zu ziehen.

Darüber hinaus hielt sie dem erstaunten Gericht die Verfassung vor. Nach Paragraph 41 und 42 dürfe niemand Profite mit Geschäften machen, die gegen die Erhaltung von Ehe und Familie verstoßen. Ihr Anwalt fügte hinzu: „Die Stadtverwaltung würde im öffentlichen Ansehen beträchtlich sinken, sollte sie finanzielle Zuwendungen von BordellbesitzerInnen akzeptieren. Einem Gericht, das so etwas zulassen würde, müßte man zweifellos den gesunden Menschenverstand absprechen.“ Das wollte die Stadtverwaltung nicht auf sich sitzen lassen. Ihr Anwalt Eamon Cush sagte, der Staat habe seine Pflicht mit dem Bußgeldbescheid an Frau Carolan bereits getan. Man verlange ja keine Einkommenssteuer von der Klägerin, sondern lediglich die Gemeindesteuer, die jedes Unternehmen zu entrichten habe.

Da es bisher noch keinen Präzedenzfall gibt, war sich Anwalt Cush jedoch seiner Sache nicht sicher. So lenkte er ein: Ann Carolan müsse dem Gericht nachweisen, daß sie in dem betreffenden Gebäude ein Bordell betrieben habe und deshalb wegen Zuhälterei verurteilt worden sei— dann könne man über die Steuerfreiheit reden. Das dürfte ihr nicht schwerfallen, hatte doch die Presse damals über das Skandalhaus ausführlich berichtet. Bezirksrichter James McDonnell war jedenfalls die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, daß er den peinlichen Fall auf Mai vertagen konnte.