piwik no script img

Sind Frauen weniger fremdenfeindlich?

Die letzten Wahlen von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein werden sowohl von den Medien als auch von den betroffenen Großparteien als „Denkzettel“ und „Protestwahl“ gedeutet. Die Parteien geben sich entrüstet und überrascht, und doch ist das Wahlergebnis ein Ergebnis ihrer Politik.

Daß der Anteil der Wähler der Rechtsradikalen bei jungen Männern zwischen 20 und 30 Jahren und bei den älteren Männern über 60 Jahren am höchsten war, kann zu der täuschenden Annahme führen, daß diese Personengruppen anfälliger für rechtsradikales Gedankengut seien. Dem ist aber die alltägliche Erfahrung der in der Bundesrepublik lebenden AusländerInnen entgegenzusetzen. Folgende Begebenheiten sind einige von vielen. Sie wären, wenn sie nur Einzelfälle wären, nicht erwähnenswert.

Nassrin wollte von ihrem Sparbuch Geld abheben. Die Angestellte verlangte ihren Personalausweis. Sie suchte nach ihrem Namen, und auf ihre Erklärungsversuche, warum dort nur ihr Mädchenname steht, sagte Sie: „Wissen Sie, wir haben große Probleme mit Ihrer Kultur, diese Intoleranz und daß die Iraker und Iraner alles kaputtschlagen.“ Nassrin könnte das Verhalten dieser Dame so erklären: Sie hat höchstwahrscheinlich Betty Mahmoodis Buch gelesen.

Shirin erzählt, daß sie Angst hat, sich gut anzuziehen und einkaufen zu gehen. Sie wurde nämlich sehr oft von deutschen Frauen angemacht: Alles von unseren Steuergeldern! Ihre verzweifelten Beteuerungen, sie bekomme keinen Pfennig vom deutschen Staat, halfen ihr nicht. Geht sie in eine Boutique einkaufen, wird sie nicht nur von Verkäuferinnen ignoriert, sondern muß von einer Kundin hören: Was will die hier, sie gehört doch zu C&A. Geht sie in ein Reformhaus einkaufen, die gleichen Schikanen. [...]

Die Alltagserfahrungen mit Fremdenhaß und Diskriminierung, die wir Ausländerinnen hier machen, zeichnen ein anderes Bild als die des Wahlergebnisses. Für mich stellt sich nicht die Frage, „warum Republikaner eine Männerpartei sind“, (Däubler-Gmelin u.a.: Die Rechtsaußen-Parteien und die Frauen, München 1989), und die Zahlen sagen auch nichts über den alltäglichen Fremdenhaß aus. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, daß Frauen ihre Aggressionen, Ängste und Antipathien anders äußern, nämlich nicht politisch. Sie agieren nicht im politischen Raum, sondern im alltäglichen Bereich, und dazu gehören eben das Einkaufen, das Sich-anstellen etc. [...] Also ist es für mich keine Beruhigung, wenn ich die Wahlanalyse höre. Meine Erfahrungen zeugen nicht für die solidarischen, fremdenfreundlichen deutschen Frauen. [...] Farideh Akashe-Böhme

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen