PRESS-SCHLAG: Parole „Wembley“
■ Heftig begehrt Barcelona den Landesmeister-Cup, an dem auch das Schicksal von Trainer Cruyff hängt
Eigentlich hatte es sich Josep Lluis Nunez, Präsident des FC Barcelona, zur Regel gemacht, in der Öffentlichkeit kein Wort gegen seinen charismatischen Angestellten Johan Cruyff zu äußern. Ein Jahrzehnt lang hatte ausschließlich der millionenschwere Baulöwe bestimmt, wo es beim katalanischen Renommierclub langgeht, und in dieser Zeit neun Trainer zur Verzweiflung getrieben. Dann, im Jahre 1988, kam Cruyff und übernahm sogleich das Kommando. Nunez zog sich zurück und überließ das Feld bereitwillig dem dürren Niederländer, der ihm 1978, noch als Spieler, den Weg zur Präsidentschaft geebnet hatte. „Ich habe ihm alles gegeben, außer dem Kassenschlüssel“, pflegt Nunez zu sagen, und er wurde nicht müde, den eigenwilligen Trainer gegen alle Anfeindungen in Schutz zu nehmen.
Auch, als der Titelverteidiger zu Beginn dieser Saison acht Punkte hinter Real Madrid zurückfiel und die Club-Funktionäre Zeter und Mordio schrien, stand der Präsident unerschütterlich hinter Cruyff, dessen hasardeurhaftes Offensivspiel für die Misere verantwortlich gemacht wurde. Häufig läßt der einstige Starstürmer nur zwei Abwehrspieler auflaufen, der Rest bläst zum Angriff. Auf diese Art hat der FC Barcelona zwar die meisten Tore der Liga geschossen, aber mit 33 Treffern nur ein Tor weniger kassiert als der Tabellenletzte FC Mallorca. Die Dummen im Cruyff-System sind die Verteidiger, die sich, wenn es dem Gegner gelingt, den dichten Barça-Mittelfeldgürtel zu überwinden, oft einer bedrohlichen Überzahl von Angreifern gegenübersehen.
Nach dem Fast-Scheitern im Europacup gegen Kaiserslautern wurde Cruyff ein wenig vorsichtiger, seine Mannschaft holte Punkt um Punkt auf und schien drauf und dran, die Tabellenführung zu übernehmen, als sich die Totgesagten von Real Madrid (Cruyff: „Sie haben viele Probleme und diese werden nicht weniger, sondern mehr.“) plötzlich erholten. Die 0:1-Niederlage Barcelonas in Valencia am letzten Wochenende ließ den Rückstand wieder auf zwei Punkte anwachsen.
Merkwürdigerweise nimmt das in Kataloniens Metropole niemand sonderlich tragisch. Die Meisterschaft und selbst das ewig verbissene Duell mit Real ist in den Hintergrund getreten, „Wembley“ heißt die Parole. Mit einem Sieg gegen Benfica Lissabon heute abend im Nou-Camp-Stadion kann der FC das Londoner Finale erreichen und endlich, endlich den Europapokal der Landesmeister nach Barcelona holen — so ziemlich der einzige Cup, der im überquellenden Trophäenschrank des Barça-Museums noch fehlt.
Fußball sei für ihn kein Streß, sondern Quell der Freude, hatte der vierundvierzigjährige Johan Cruyff seine Ärzte beschieden, als er nach seiner Herzoperation vorzeitig auf die Trainerbank zurückkehrte; in den letzten Wochen wurde jedoch auch er zusehends nervöser und begann, die Führung des FC noch eifriger als sonst mit kleinen Nadelstichen zu nerven. Seiner Tochter Chantal verschaffte er zur größten Verbitterung von Nunez einen PR-Job bei dessem größten Rivalen um die nächste Präsidentschaft, und nie wurde er müde, die seiner Ansicht nach miserable Führung des Vereins zu geißeln. Ein Manager müsse endlich her, mit solch einer miserablen Organisation wie bisher werde der FC Barcelona niemals das Niveau eines AC Mailand erreichen.
Da platzte schließlich selbst Nunez der Kragen. „Der FC Barcelona ist wichtiger als der Herr Cruyff“, wetterte er vor der ob solch klarer Worte erstaunten Presse. „Ich glaube, daß er zuviel redet.“ Seine weiteren Ausführungen hörten sich dann an, als ginge es um einen Pflegefall: „Eine Person, die so spricht, offenbart ihre Nervosität. Seine Unsicherheit macht mich traurig und darum müssen wir ihm helfen, seinen Vertrag zu erfüllen.“ Unter welchen Umständen dies nur möglich sein wird, daran ließ Nunez keinen Zweifel: „Wen Cruyff den Europacup nicht gewinnt, muß er gehen.“ Matti
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