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»Ich hasse das Zeug«

■ Wild Billy Childish und Thee Headcoats kommen am Karfreitag ins Huxley's Junior, Kreuzberg

Mein Vater ist ein Geschäftsmann und Drogenschmuggler, der abgehauen ist, als ich sechs war. Ich wurde nie richtig erzogen. Als er in den 80ern verhaftet wurde, ließ sich meine Mutter scheiden. Er hat versucht, sich interessanter zu machen, als er war, hat Jazzmusik gehört und war aus irgendeinem Grund dem Rock'n'Roll gegenüber offen. Er hat Singles von den Stones, den Beatles und den Kinks nach Hause geschleppt, und wir haben uns das Zeug als Kinder angehört.« Das erzählt Wild Billy Childish in einem Interview. Klar, daß da was hängen geblieben ist: »Deshalb hasse ich das Zeug.« Das kann auch eine Lüge sein, Tatsache ist, daß er John Lee Hooker, Bo Diddley und Link Wray bevorzugt.

Geboren wurde Billy Childish in Chatham, Kent, richtig angefangen hatte alles 1977 mit den Pop Rivets. Nach deren Auflösung spielte der kindliche Billy mit immer wieder denselben Leuten unter wechselnden Namen zusammen: als The Milkshakes, Thee Mighty Caesars oder eben aktuell Thee Headcoats, die sich nach der Kopfbedeckung von Sherlock Holmes benannten: »Die Geschichte des Headcoats geht bis zur Antike zurück. Die erste Form des Headcoats kommt aus der Steinzeit, er entstand aus dem Panzer eines Gürteltiers.« Ähem. Logisch, daß sie die Hüte live selber tragen.

Wenn er nicht gerade Blödsinn plappert, produziert er auch mal Mudhoney. Nicht, daß er sie mag oder sich gar deren Musik anhören würde. Sie sind einfach Freunde. Oder er nimmt eine Solo-LP auf. In seinem Aufnahmewahn hat er es solo oder mit seinen Bands in vierzehn Jahren auf etwa fünfzig LPs, zwanzig Singles und dreißig Teilnahmen auf Samplern gebracht. Immer ist es Rock'n'Roll, immer rumpelt und rüpelt er, immer ist er möglichst primitiv. »Wenn ich ein paar Ideen habe und in der richtigen Laune dafür bin, nehm' ich einfach drei Akkorde und hau sie zusammen. Alles, was du brauchst, ist die Idee, einen Titel finden und die Sache durchziehen. Das ist nichts Besonderes. Das gilt auch für Bilder und Gedichte.« Der Mann redet nicht über einzelne Songs, LPs entstehen genauso. Und nebenbei noch Gedichte und Bilder. Ausstellungen hatte er auch schon. Man kann sich gar nicht vorstellen, daß ein Mann mit einem solchen künstlerischen Ausstoß auch ganz profane Probleme haben kann: »Man hat uns dieses Konzert in Freiburg garantiert, wir sind lange dafür gefahren, der Veranstalter bestand auf dem Gig, und wir bekamen keine Gage, weil wir betrunken waren. Ich meine, auf dieser Basis wären die Milkshakes wohl nie bezahlt worden. Wir haben mindestens eine Stunde lang gespielt und dann wurde Bruce der Schuh geklaut.« Der Veranstalter von damals beteuert seinerseits, daß Drummer Bruce beim ersten Song einschlief und Childish daraufhin einen Spaziergang unternahm.

Doch zurück zur Musik. Childish und seine Kapellen machen und machten immer Trash. Das, was die Cramps früher einmal versuchten, als Lux Interior es noch nicht nötig hatte, sich Rotwein in die Hose zu kippen. Die Cramps waren zumindest beeinflußt vom Punk, wenn sie schon nicht selbst daher kamen, wie all die anderen, die die Sixties und den Rock 'n'Roll entdeckten, aber leider nicht richtig spielen konnten. Childish und seine Mannen können zwar auch nicht spielen, zumindest weigern sie sich konsequent, sich in der Richtung zu verraten, aber Punk können sie nicht ausstehen: »Nie war die Musik schlimmer als heute! Schlimmer als vor Punkrock. Damals hatte man wenigstens was zu lachen. Es gab immerhin Gary Glitter.« Heute gibt es Gary Glitter zwar wieder, aber das ist auch nichts zum Lachen. Irgendwie zum Lachen sind Thee Headcoats natürlich, auch wenn ihr Humor nicht jedermanns Sache sein dürfte. Was kann man von Menschen erwarten, die ihre Live- LP The wurst is yet to come nennen?

Wild Billy Childish macht einfach weiter und wird immer weiter machen, weil mit seiner Musik eh kein Geld zu verdienen ist. Da ist es auch völlig egal, ob man nach fünf Platten pleite ist, oder nach fünfhundert. Außerdem gibt es noch einen Grund, Musik zu machen: »Musik ist eine wirklich hübsche, nette alte Sache. Die Menschen mögen Rhythmus und so ein Zeug, es erfreut sie, da kann man sich einen netten Abend mit machen.« Nun denn, wohlan. Thomas Winkler

Am 17.4. um 20 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114

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