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Ein Schluck Hustensaft

■ „Eiskalte Leidenschaft“ von Phil Joanou

Die Frau hat Lippen wie Fahrradschläuche, Beine bis zum Himmel. Auch sonst ist an ihr alles so proportioniert, daß jede Modezeitschrift und jedes Zeitgeistmagazin sie schon seit Jahren als Hochgenuß an den modernen Voyeur und die nacheifernde Leserin bringt. Nur eines fehlt Kim Basinger: sie hat keinen Funken schauspielerisches Talent. Ein anderer Schönling mit magerer Ausdruckspalette ist der, inzwischen etwas angegraute, „Mann für gewisse Stunden“ Richard Gere.

Diese beiden Sexbömbchen des amerikanischen Lichtspiels gingen schon einmal, vor sechs Jahren, in Gnadenlos in die Horizontale und ließen die Kassen klingeln. Und da es immer noch genügend Menschen gibt, die die beischlafähnlichen Bewegungen der beautiful people mit guter Unterhaltung verwechseln, wurden die beiden halt noch einmal verkuppelt und um sie herum wieder ein Krimi gebastelt.

Psychiater sind in Hollywood gerade stark im Kommen. Auch Barbara Streisand mimt eine in Herr der Gezeiten. Mr. Gere spielt in Final Analysis, aus dem in Deutschland Eiskalte Leidenschaft wurde, den erfolgreichen Freud-Jünger Isaac Barr. Er kann den Traum einer seiner Patientinnen nicht entschlüsseln und kontaktet deshalb ihre Schwester. Auftritt Kim Basinger. Die Funken sprühen, die Leinwand knistert, die Hausfrauenpsychologie brodelt, und die Hormone spielen verrückt.

Daß Frau Basinger mit Alkohol nicht klar kommt, wissen wir schon aus Blake Edwards Blind Date, wo sie völlig besoffen Bruce Willis in den Wahnsinn trieb. Diesmal ist alles noch viel schlimmer. Es genügt schon der kleinste Tropfen Rebensaft, und die gute Kim wird zur tobenden Furie. Als sie eines Abends einen kräftigen Schluck Hustensaft nimmt, dreht sie prompt wieder durch und killt ihren Ehemann (Eric Roberts). Da uns der Angetraute aber vorher als echtes Ekelpaket präsentiert wurde, bleibt unsere und Richard Geres Sympathie an der vermeintlich Unzurechnungsfähigen hängen. Wir wissen natürlich alle, daß Alkohol tötet, aber doch nicht auf diese Art. Also stimmt etwas nicht an der Geschichte. Mr.Gere darf zu diesem Zeitpunkt noch nichts ahnen, doch wir haben es kapiert: Das blonde Gift spielt falsch!

Die Geschichte hat durchaus ihre Stärken. Und Regisseur Phil Joanou hat den Film so inszeniert, daß alles an Alfred Hitchcock erinnern soll. Das tut er auch. Nur wirkt bei Joanou das Ganze ein bißchen verkrampft und aufgesetzt, viel zuviele Großaufnahmen von Basingers Gesicht und viel zuwenig Tempo. Man fragt sich, was der Altmeister alles aus dem Stoff herausgeholt hätte. So ist Eiskalte Leidenschaft allenfalls für Leute interessant, die sich ihre Lebensweisheiten irgendwo zwischen den Hochglanzseiten von Modezeitschriften zusammenklauben. Karl Wegmann

Phil Joanou: Eiskalte Leidenschaft. Mit Kim Basinger, Richard Gere u.a.; USA 1991, 125Min.

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