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Auf den falschen Weg geraten

■ betr.: "Bodenreform heute", taz vom 30.3.92

Betr.: „Bodenreform heute“ (Maden im Speckgürtel rund um Berlin) von Gabriele Goettle,

taz vom 30.3.92

Frau Goettle schreibt die wundervollsten Reportagen. Beim Bericht über den Golfplatz Tremmen und über Golf allgemein ist sie, wie sie selbst schreibt, auf den falschen Weg geraten, aber nicht nur mit dem Auto, sondern überhaupt. Deshalb einige Stichtworte, um zu zeigen, wo's wirklich langgeht.

Ökologie: Es gibt eine Broschüre des BUND über Nutzen und Schaden von Golfplätzen. Danach ist ein Golfplatz ökologisch schlechter als ein unberührtes Landschaftsschutzgebiet, aber besser als landwirtschaftliche Nutzfläche. Golfplatz Tremmen entsteht auf, Frau Goettle schreibt es, ehemals landwirtschaftlicher Nutzfläche. Sonst wäre er nicht genehmigt worden. [...]

Klassenstandpunkt: Rund um die Arbeiterstadt Glasgow gibt es 260 Golfplätze. Dort spielen Arbeiter, Angestellte, Handwerker. Die Zahl der Reichen ist gering in Glasgow. Damit Berlin gleiche Lebensqualität bekommt, müßten in Brandenburg 1.000 Golfplätze gebaut werden. Beantragt sind 68, bisher genehmigt erst 19. [...]

Kommunalplanung: Was in einem Ort gebaut wird, bestimmen der Gemeinderat und der Bürgermeister, nicht der Vorsitzende des lokalen Golfklubs, sei er schwedischer Graf oder deutscher Immobilienhai. Wenn deren Berechnungen zeigen, daß sich nach Bau des Golfplatzes ein Hotel und ein Einkaufszentrum rentieren, dann rentieren sich auch die Ferienwohnungen und Ladengeschäfte der Ortsbewohner, sobald der Bau von Hotel und Einkaufszentrum untersagt wird. Der Golfplatz wird zum bleibenden Wirtschaftsfaktor für das ganze Dorf, nicht nur für die LPG, die 50 Hektar verpachtet hat.

Naturschutz: Von 50 Hektar eines neuen Golfplatzes werden zehn Hektar zu unbetretbarem Biotop, 20 Hektar zu naturnaher, begehbarer Landschaft, 20 Hektar zur regelmäßig gemähten Wiese, davon 0,5 Hektar zu den von Frau Goettle so verabscheuten Grüns, ein Hundertstel der Fläche also. Im Vergleich zu der Menge, die früher auf die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche versprüht wurde, ist die von niemandem geleugnete Verwendung von Fungiziden auf den Grüns lächerlich. Als Biotop bietet sich in Brandenburg die Wiederherstellung der Feuchtbiotope an, die bei der Flächenzusammenlegung zur LPG vernichtet worden sind. In Bayern gibt es längst die Golfregel, daß sofort vom Spiel disqualifiziert wird, wer das Biotop betritt, im Wiederholungsfalle wird Platzverbot verhängt.

Arbeitsplätze: In Westdeutschland kann eine Bauernfamilie auf 50 Hektar gerade noch existieren, in Brandenburg nicht. Dem Wettbewerb mit den fetten Weizen- und Zuckerrübenböden Bayerns, Niedersachsens, des Niederrheins, der Magdeburger Börde, der Thüringer Goldenen Aue sind die Sandböden nicht gewachsen. Wer will den Bauern und LPG die Aufwertung von 50 Hektar durch einen Golfplatz verwehren? Statt einer Familie finden wenigstens fünf Familien Arbeit auf Dauer: Klubmanager, Golflehrer, Platzmeister, Kantinenwirt. [...]

Kosten: 1.000 Mark Jahresbeitrag oder drei Mark pro Tag sind weniger als der Preis der Zigaretten, die man beim Golfen nicht raucht. Es sind weniger als der Preis für 14 Tage Skiurlaub, den sich einige Millionen Westdeutsche jedes Jahr leisten. Die Golfausrüstung ist billiger als eine moderne Skiausrüstung; sie wird das ganze Jahr verwendet, nicht nur 14 Tage. Golfschläger halten ein Leben lang. Für 100 Mark bekommt man einen gebrauchten Schlägersatz. Mein Lieblingsschläger stammt aus dem Satz meines Vaters, der ihn 1928 gekauft hat. Ich habe schon manches Turnier damit gewonnen. Achim Schneider, West-Berlin

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