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Verzweifelte Rettungsversuche für Rio

Bundesumweltminister Töpfer beißt in Japan und China in Sachen Kohlendioxid-Reduktion auf Granit/ UNCED-Generalsekretär Maurice Strong schraubt die Erwartungen an den Welt-Umweltgipfel drastisch herunter  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die UNO-Postverwaltung druckt zur Zeit die Sonderbriefmarken für den „Earth Summit“. Gestern verschickte das Büro der „UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung“ (UNCED) Broschüren mit den verschiedenen Motiven. Auf kostspieligem Hochglanzpapier, nicht recycelbar. Für kritische Nachfrage hat man im UNCED-Büro kein Verständnis. Professionelle Werbung müsse sein, und die Kosten machten doch nur einen vergleichsweise winzigen Posten im Zwei-Milliarden- Dollar-Etat für den UNCED-Gipfel vom 1.-12. Juni in Rio de Janeiro aus. Außerdem werde der am 22.Mai beginnende Verkauf der Sonderbriefmarken „Gewinne erbringen“.

Auch sonst könnte man bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck gewinnen, als werde die Mammutveranstaltung in der brasilianischen Hauptstadt tatsächlich zu einem Ergebnis, das den finanziellen Aufwand und das Dabeisein politisch lohnt. Die Journalisten haben ihre Flüge und Hotels bereits gebucht. Auch die regierungsunabhängigen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen (NGO) planen die teure Reise. Die allermeisten NGO verdrängen, daß ihre Teilnahme an dem Spektakel in Rio längst zum Alibi geworden ist für eine prestigeträchtige brasilianische Regierung und für im Umwelt- und Entwicklungsbereich säumige Regierungen der westlichen Industriestaaten. Daß ihr bewußtes und öffentlich begründetes Fernbleiben daher ein Zeichen setzen könnte, wurde von den NGO bislang nicht ernsthaft erwogen.

Der Ausschuß für die Ausarbeitung einer Klimakonvention kündigte am Dienstag in Genf seine letzte Routinesitzung für den 30. April an. Allenthalben bemühen sich die Akteure um den Eindruck, als lägen bereits substantielle Ergebnisse der nunmehr über zweijährigen Vorverhandlungen für den UNCED-Gipfel vor. Andere verbreiten die Hoffnung, daß sich in den verbleibenden sechs Wochen tatsächlich noch zustande bringen läßt, was bisher nicht gelungen ist. Die NGO haben gar die Illusion, daß sich auf dem Gipfel selbst plötzliche Ergebnisse einstellen.

UNCED-Generalsekretär Maurice Strong verweist stolz auf die fast vollendete Fertigstellung „eines wichtigen Rio-Dokumentes“: der „Agenda 21“, einer Zusammenstellung völlig allgemeingehaltener, unverbindlicher umwelt- und entwicklungspolitischer Absichtserklärungen für das nächste Jahrhundert.

Bonns Umweltminister Töpfer reiste letzte Woche nach Peking und Tokio mit der erklärten Absicht, die dortigen Regierungen für ein Einfrieren der Kohlendioxid-Emissionen auf den Stand von 1990 bis zum Jahr 2.000 zu gewinnen. Bislang blieb Töpfers Mission ohne Erfolg — obwohl dieses Ziel noch weit unter der Beschlußlage der Bundesregierung liegt, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2005 um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren. Doch auch in Peking und Tokio weiß man inzwischen, daß zwischen Bonner Worten und Taten Welten liegen können. Das maßgeblich von Töpfer aufgebaute Image der internationalen Bonner Vorreiterrolle im Umweltbereich bröckelt mehr und mehr. Angesichts der von der Bundesregierung seit Anfang 1990 ergriffenen sowie der geplanten Maßnahmen im Energie- und Verkehrsbereich wird der CO2-Ausstoß im vereinten Deutschland bis zum Jahr 2005 höchstens um zehn Prozent sinken. Bezogen auf das Territorium der alten BRD, für die das Kabinett im Herbst 1989 ursprünglich das Reduktionsziel von 25 Prozent festgelegt hatte, ist sogar mit einem Anstieg der Emissionen um sieben Prozent zu rechnen. Zu diesem Ergebnis kommen jüngste Untersuchungen des Schweizer Prognos-Instituts und der in Bonn ansässigen Nord-Süd-Initiative „Germanwatch“.

Auch in Washington wird die Diskrepanz zwischen Bonner Beschlüssen und deren Umsetzung natürlich längst aufmerksam registriert. Daher dürften die für Mai angekündigten Versuche von Bundeskanzler Kohl und Forschungsminister Riesenhuber, durch direkte Gespräche in Washington doch noch die Unterstützung der Bush-Administration für eine Klimakonvention mit klaren Eckwerten für CO2-Reduktion zu gewinnen, ähnlich scheitern wie die jüngsten GATT-Bemühungen Kohls.

Doch selbst mit einer konsequenteren eigenen Umweltpolitik könnte die Bundesregierung Washington zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu einer veränderten Haltung bewegen. Eine Einflußnahme wäre möglich gewesen, wenn sich Bonn im letzten Jahr mit den anderen EG-Staaten, den EFTA-Ländern, Australien, Kanada und Neuseeland darauf verständigt hätte, die Verabschiedung einer verbindlichen Klimakonvention in Rio unter allen Umständen durchzuziehen und damit Washington möglicherweise zu isolieren. Es bestand die Aussicht, daß selbst Japan sich angeschlossen hätte. Mit einer derartigen Strategie hätten die Industriestaaten Druck auf die Bush-Administration ausüben können. Statt dessen entschieden sie sich unter wesentlicher Federführung Bonns dafür, die USA auf jeden Fall „an Bord“ zu halten.

Inzwischen hat sich Präsident Bush in seinem Ende März veröffentlichten Jahresumweltbericht öffentlich gegen eine verbindliche Klimakonvention festgelegt. Die Erwartung zu schüren, er werde sich im Juni in Rio — quasi zum Auftakt des US-Präsidentschaftswahlkampfes — doch noch zu Umweltmaßnahmen verpflichten, die die heimischen SteuerzahlerInnen zunächst einmal viele Milliarden Dollar kosten würden, ist unseriös.

UNCED-Generalsekretär Strong spielt derweil weiter die Rolle des Zweckoptimisten und bemüht sich, insbesonders die Erwartungen der Staaten des Südens an den Rio-Gipfel herunterzuschrauben. Bis letzte Woche bezifferten die mit dem Thema befaßten UNO-Experten den notwendigen Nord-Süd-Transfer von Umwelttechnologien und Kapital auf den Wert von 625 Milliarden Dollar pro Jahr — im wesentlichen zu finanzieren von den Industriestaaten des Nordens. Neuerdings verkündet Strong, von den 625 Milliarden könnten die Länder des Südens 500 Milliarden selber aufbringen. Somit müßten sich die Industriestaaten lediglich zu Transferleistungen im Wert von jährlich 125 Milliarden Dollar verpflichten. Davon seien zumindest im laufenden Jahr 55 Milliarden bereits abgedeckt durch zugesagte Nord-Süd-Zahlungen. Daß diese Gelder anderen Zwecken zugedacht sind, übersah Strong großzügig. In der Sorge, die Gipfel-Show in Rio könnte durch eine handfeste Süd- Nord-Konfrontation getrübt werden, bemühte sich Brasiliens Wirtschaftsminister Marrques Moreira am Dienstag, die Erwartungen noch weiter herunterzuhängen. Nach seiner Schätzung liegt der Finanzbedarf für globale Umweltaufgaben bei lediglich fünf bis zehn Milliarden Dollar jährlich.

Ebenfalls in Rio wurden am Dienstag allerdings auch zusätzliche Erwartungen laut. Altbundeskanzler Helmut Schmidt erklärte, der UNCED-Gipfel müsse sich dringend mit der „Bevölkerungsexplosion“ beschäftigen. Noch so gute, lediglich auf Umweltschutz- und Entwicklungsmaßnahmen bezogene Beschlüsse würden ansonsten „von der Bevölkerungsexplosion erdrückt“.

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