Baker will Serbien unter Druck setzen

■ Bosnischer Außenminister warnt in Washington vor einem „großen Balkankrieg“ und ersucht Saudi-Arabien um Hilfe/ Serbische Freischärler beschießen Sarajevo/ Armee greift Mostar an

Washington/Sarajevo (wps/taz/ dpa/ap) — Angesichts des Vormarsches der serbisch beherrschten jugoslawischen Armee hat der Außenminister von Bosnien-Herzegowina, Haris Silajdzic, am Dienstag in Washington vor der Gefahr eines „großen Balkankrieges“ gewarnt und die Entsendung von UNO-Friedenstruppen gefordert. Silajdzic appellierte nach Gesprächen mit US-Außenminister James Baker „an die Vereinten Nationen, alle Regierungen, humanitären Organisationen und alle Menschen guten Willens, die Massaker an unschuldigen Zivilisten zu verhindern“.

Baker rief die europäischen Regierungen auf, sich für eine Verhinderung weiterer Angriffe der jugoslawischen Armee einzusetzen. Ein hoher Beamter seines Ministeriums sagte, Baker werde die Serben gewaltig unter Druck setzen, damit sie ihre Politik überdenken. Die USA und Europa würden Serbien mit einer totalen Isolierung drohen und die Suspendierung seiner Mitgliedschaft in der KSZE durchsetzen.

Der bosnische Außenminister, der in New York mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali zusammengetroffen war, verwies darauf, daß Bosnien-Herzegowina schon vor sechs Monaten um die Entsendung von UNO-Truppen nachgesucht habe. Er setzte sich dafür ein, täglich mindestens ein Hilfsflugzeug aus Westeuropa mit den wichtigsten Medikamenten und Gütern nach Sarajevo zu schicken.

Die in Bosnien-Herzegowina eindringenden Einheiten seien „sehr gut ausgerüstet und zum Töten von Zivilisten bereit“. Die in den letzten Monaten gezeigte Verhandlungsbereitschaft Belgrads sei nur „Tarnung“ gewesen. Mit der diplomatischen Anerkennung Sarajevos durch die EG und die USA am 6. und 7. April habe der Angriff nichts zu tun. Siladzic erzählte Baker, daß er bald nach Deutschland reisen werde und auch schon bei der saudiarabischen Regierung um Hilfe nachgesucht habe. 44 Prozent der Bevölkerung Bosnien- Herzegowinas sind Moslems.

Der kroatische Staatspräsident Franjo Tudjman appellierte am Dienstag in Schreiben an Staatsmänner in aller Welt, sich dafür einzusetzen, daß „die internationale Gemeinschaft“ Mechanismen „zur Verhinderung der Aggression gegen die international anerkannten (Staaten) Kroatien und Bosnien-Herzegowina“ in Bewegung setzt.

In Bosnien geht der Krieg trotz Appellen von Staatspräsident Alija Izetbegovic und dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic, die Kämpfe einzustellen, unvermindert weiter. Ein Rundfunkkorrespondent berichtete aus der Hauptstadt Sarajevo, serbische Freischärler hätten die bosnische Hauptstadt mit Artillerie beschossen. Der öffentliche Nahverkehr sei lahmgelegt, weil bei einem Angriff auf das städtische Straßenbahndepot etwa 20 Waggons zerstört worden seien.

Auch in anderen Regionen des Landes, vor allem in der von Kroaten dominierten West-Herzegowina, dauerten die Kämpfe an. Armeetruppen hätten die Außenbezirke der Provinzhauptstadt Mostar angegriffen. Bei Citluk wurde laut Radio Zagreb ein Armeehubschrauber von Kroaten abgeschossen. Aus Livno wurden Zusammenstöße zwischen Armeetruppen und kroatischen Milizen gemeldet. Schießereien wurden auch aus Nordbosnien bei Bosanski Brod berichtet.

In Kroatien griff die jugoslawische Armee in der Nacht überraschend die Städte Gospic, Karlovac und Nova Gradiska mit Artillerie an. thos