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Der linke Labour-Flügel bäumt sich noch einmal auf

Dublin (taz) — Der „rote Ken“ will Chef der britischen Labour Party werden. Ken Livingstone, der von den Tories seit Jahrzehnten als linksextremes Schreckgespenst porträtiert wird, gab am Donnerstag seine Kandidatur bekannt. Der 46jährige war früher Vorsitzender des Greater London Council, der Londoner Stadtverwaltung, die von Margaret Thatcher wegen ihrer Linkslastigkeit abgeschafft wurde.

Livingstone begründete seine Kandidatur damit, daß es nicht ausreiche, die Labour-Führung auszuwechseln, ohne die Politik zu ändern: „Wir haben darin versagt, eine radikale Wirtschaftspolitik in unser Wahlkampfprogramm aufzunehmen. Bei einem Labour-Wahlsieg hätten deshalb unsere potentiellen Anhänger die Versprechungen bezüglich der Ausgabenpolitik finanzieren müssen.“ Livingstone machte vor allem den Finanzminister im Labour-Schattenkabinett, John Smith, für die Niederlage bei den britischen Unterhauswahlen in der vergangenen Woche verantwortlich. Smith gilt als Favorit für die Nachfolge Neil Kinnocks, der Anfang der Woche zurückgetreten ist. Smith habe Steuererhöhungen für Einkommensschichten über 21.000 Pfund (ca. 56.000 Mark) im Jahr angekündigt, sagte Livingstone. Das entspreche jedoch ungefähr dem Durchschnittseinkommen im Südosten Englands, wo Labour abermals kein Bein auf die Erde bekam und deshalb die Wahlen verlor.

Auch an dem gemäßigt linken Kandidaten Bryan Gould ließ Livingstone kein gutes Haar: Er sei zwar für eine Abwertung des Pfundes eingetreten, habe aber gleichzeitig für eine Wirtschaftspolitik gestimmt, die das praktisch ausschließe. Livingstone will dagegen den Verteidigungshaushalt um sieben Milliarden Pfund kürzen, um die Ausgaben mitteleuropäischem Niveau anzupassen. Darüber hinaus fordert er Verhandlungen über den sofortigen britischen Rückzug aus Gibraltar und den Falklands sowie — über einen Zeitraum von fünf Jahren — aus Nordirland. Ob Livingstone bis Ende des Monats die für seine Kandidatur notwendige Unterstützung von 55 Labour-Abgeordneten erhält, ist zweifelhaft. Die ebenfalls dem linken Flügel angehörende Abgeordnete Clare Short bezeichnete dessen Ambitionen jedenfalls als „kindisch“. Ralf Sotscheck

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