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„Es gibt keine Vorgänge über Sie“

■ Verfassungsschutz mußte erstmals nach „Einzelfallprüfung“ passen

„Ich kann Ihnen mitteilen, daß es irgendwelche Vorgänge über Sie beim Verfassungsschutz in Bremen nicht gibt.“ Rund vier Wochen benötigte die Behörde von Innensenator Friedrich van Nispen, um dem Bremer G. diese lapidare Auskunft zuzustellen. „Es muß vor einer solchen Auskunft in jedem Fall eine Einzelfallprüfung stattfinden“, sagt van Nispens Sprecher Kleen.

Seitdem der Bremer Geheimdienst begann, nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts 1987 Betroffenen erstmals Auskunft darüber gab, ob ihr Name auf einem Aktendeckel des Geheimdienstes steht, bildete sich eine kleine Bremer Gruppe von Verfassungsschutzpositiven. Vor allem AktivistInnen aus dem Umkreis der Friedensbewegung kamen in Besitz amtlicher Bestätigungen ihrer „verfassungsfeindlichen Aktivitäten“. Um was es sich dabei jedoch genau gehandelt haben soll, das blieb stets das Geheimnis des Geheimdiensts.

„Es bleibt also abzuwägen zwischen dem anerkannten Interesse des Verfassungsschutzes an der Geheimhaltung seiner Arbeitsweise und Informationsgewinnung und Ihrem schutzwürdigen Interesse an einer Auskunftserteilung“, begründete der Innensenator zum Beispiel gegenüber dem Bremer P., warum ihm die Einsicht in seine Akte nicht gestattet werden könne. Immerhin gab es eine.

Aber welche Interessen wägt der Verfassungsschutz ab, bevor er mitteilt, daß der Antragsteller - wie im Fall G. — geheimdiensamtlich einfach nicht existent ist? Eine Frage, die trotz beigelegtem Freiumschlag unbeantwortet blieb. Dabei hätte es doch einiges zu Speichern gegeben: Hatte G. nicht seit Anfang der 60er Jahre mehrmals persönlichen Besuch vom Verfassungsschutz bekommen, umfangreiche Briefwechsel um nicht zugestellte Druckerzeugnisse der DDR geführt und auf Veranstaltungen der DKP provokante Reden geschwungen?

Ob er nun enttäuscht sei, daß ihn der Verfassungsschutz trotzdem einfach ignoriert hat? „Falsch gestellt“ findet G. die Frage. Denn wer garantiert ihm denn, daß die Auskunft richtig ist. Wenn er schon keine ganz persönliche Akte einsehen können soll, dann müssen es eben alle sein. Dann werden sich schon „irgendwelche Vorgänge“ finden.

Ase

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