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Hauptstadt mit Schmuddelecken-Romantik

■ betr.: "Häßlich-schönes Denkmal" (Wo das Stadtbild zu wünschen übrigläßt: Der Bellevue-Tower am Potsdamer Platz), taz vom 9.4.92

betr.: »Häßlich-schönes Denkmal« (Wo das Stadtbild zu wünschen übrigläßt [13]: Der Bellevue-Tower am Potsdamer Platz) von Rolf R. Lautenschläger, taz vom 9.4.92

Lieber Herr Lautenschläger, Sie schreiben zwar, daß der Bau »schaudervoll und primitiv« erscheint, »im Großen wie im Detail«. Leider versäumen Sie, die Details zu beschreiben, zum Beispiel: »die massenhaften Kakerlaken in den Zwölf-Quadratmeter-Apartments« mit Duschklo und Herdplatte, in denen oft vier Menschen, davon drei Kinder leben; den Schimmelbefall zumindest im obersten Geschoß; die stinkenden Teppichbeläge im Flur und den streikenden ratternden, klappernden Fahrstuhl, die Außentreppe, die oft genug benutzt werden muß, weil der Fahrstuhl ewig nicht kommt oder nicht funktioniert, und die vollgeschissen ist mit Tauben- und mit Menschenkacke; die Wäscheständer in den engen Fluren; die blassen Kinder, ebenfalls im Flur, mit ihren Kassettenrekordern. Das Haus ist eingezäunt, diesseits und jenseits häufen sich Scherben, Müll und Reste von spontaner Vegetation. Dahinter die Autos. Kein Platz für Kinder. Kein Platz für Menschen. Aber es sind dort Menschen zusammengepfercht, nicht nur Studenten und Asylbewerber, wie Sie schreiben, sondern auch Menschen aus Polen (mit polnischer und deutscher Staatsangehörigkeit), aus der GUS, aus der ehemaligen DDR. Also ganz multikulturell und weltoffen, wie es sich für eine Hauptstadt gehört. Aber auch die muß ihre Schmuddelecken haben, da stimme ich Ihnen zu, besonders wenn sie dann bei »gleißender Sonne und im Zwielicht abendlicher Dämmerung« noch schön aussehen! So viel Romantik! Ich möchte da auch wohnen. Sie auch, Herr Lautenschläger?

Ricwela [? die s.in] Meier, Sozialarbeiterin,

Gesundheitsamt Tiergarten

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