: Kein »flammender Auftakt« für den 1. Mai
■ Die am 20. April in Kreuzberg erwarteten Straßenschlachten blieben aus/ Vereinzelte Randale nach Antifa-Demo Rechtsextreme blieben zu Hause/ Polizeigewerkschaft: »Generalprobe für den 1. Mai«/ Dezentrale Feste am 1. Mai?
Kreuzberg. Schon um 22 Uhr zog der Wirt der Roten Harfe die Rolläden wieder nach oben, kurz zuvor hatten sich die ersten Wannen unverbeult auf den Heimweg gemacht. Die zum 102. Geburtstag Adolf Hitlers am Montag in Kreuzberg erwarteten Straßenschlachten zwischen türkischen Jugendlichen, Autonomen, Neonazis und der Polizei blieben aus. Nach dem Mord an einem Mitglied der rechtsextremen Deutschen Liga in einem Restaurant am Kottbusser Damm waren im Kiez heftige Auseinandersetzungen befürchtet worden.
Doch aus dem »flammenden Auftakt für den 1. Mai« wurde nichts. Zu vereinzelten Krawallen kam es erst im Anschluß an eine friedliche Antifa-Demo durch Kreuzberg und Friedrichshain, an der rund 3.000 Menschen teilnahmen. Gegen 20.30 Uhr löste die Demoleitung den Zug am Heinrichplatz auf, ohne den Demonstranten Bescheid zu geben. An der Kreuzung Adalbert-/ Ecke Oranienstraße teilte die Polizei den Zug und trieb den hinteren Teil zurück zum Heinrichplatz. Dort rollten deutsche und türkische Jugendliche Altglascontainer auf die Straße, zertrümmerten zwei Schaufensterscheiben und bewarfen PolizistInnen mit Steinen und Flaschen. Die Polizei setzte im Gegenzug Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, 21 Personen wurden festgenommen. Um 22 Uhr herrschte wieder Ruhe im Kiez.
Zum weitgehend friedlichen Verlauf trugen die ausgebliebenen Übergriffe der rechtsextremen Szene bei. Die von der autonomen Antifa organisierten »Fahrwachen« vor Flüchtlings- und Immigrantenwohnheimen, besetzten Häusern und Schwulenprojekten hatten keine Neonazi- Zusammenrottungen beobachten können. Eine Geburtstagsfeier für Hitler habe es lediglich im dem von der Jugendverwaltung geförderten Skinhead-Projekt in Marzahn gegeben, hieß es. Auch die Polizei meldete »keine größeren Zwischenfälle«. Acht Skinheads, die am Montag nachmittag am S-Bahnhof Pankow drei VietnamesInnen angegriffen hatten, wurden festgenommen.
Während die Deutsche Polizeigewerkschaft die Mini-Krawalle gestern als »scheinbare Generalprobe für den 1. Mai« aufbauschte, werteten sie Kenner der Szene als Indiz für das Bemühen der Autonomen, am diesjährigen »Arbeiterkampftag« die Inhalte in den Vordergrund zu stellen. Auf einem Koordinierungstreffen sprachen sich mehrere linke Gruppen dafür aus, im Anschluß an die traditionelle »revolutionäre Demo« dezentrale Stadtteilfeste zu veranstalten, bei denen auch Mietenexplosion und Umstrukturierung angesprochen werden sollen.
Uneinigkeit herrscht noch über die Route. Während bei der Polizei ein Zug vom Oranienplatz zum Brandenburger Tor angemeldet wurde, soll die Demo dem Vernehmen nach am Kottbusser Tor enden. mize
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen