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Die Würde des Menschen

■ Bildung darf nicht nur dem Arbeitsmarkt dienen

Alles verändert sich. Unsere Werte, unsere Normen, der gesamte gesellschaftliche Aufbau. Es geht um die Einführung der Marktwirtschaft und die verschiedenen Formen der Demokratie. Und es geht darum, wie das tschechoslowakische Bildungssystem auf diese Veränderungen reagieren kann — und muß.

Wenn bestimmte Elemente der Marktwirtschaft einfach auf das Schulsystem angewandt werden, wird dabei häufig vergessen, daß Bildung „an sich“ ein grundlegender Wert ist; daß es nicht allein um die berufliche Qualifikation eines Einzelnen oder einer Gruppe der Bevölkerung geht, sondern um das Bildungsniveau der gesamten Gesellschaft, der Nation. Bildung findet nicht nur zum Zweck der besseren Versorgung des Arbeitsmarktes statt. Es geht nicht nur darum, daß die Menschen ihre Arbeit besser und mit höherer Produktivität leisten. Entscheidend ist vielmehr etwas anderes: die Würde des Menschen.

Bildung und Freiheit; Bildung und Moral; Bildung und Leistungsfähigkeit, Selbstbewußtsein und Sicherheit; Bildung und Gerechtigkeitssinn — das alles sind unermeßliche und voneinander abhängige Begriffe und Werte. Bildung ist auch die Freude, die Welt zu erkennen. Bildung trägt zur Integration des Einzelnen und ganzer Gruppen in die Gesellschaft bei.

Die Welt um uns herum wird immer komplizierter, und in mancher Hinsicht ist sie weniger „begreifbar“ als die Welt von gestern. Es ist auch eine Welt der Risiken und der Unsicherheiten. Auf all das sollte der Mensch gut vorbereitet sein. Das heißt, daß die Grundlage unserer Diskussion der Reform des tschechoslowakischen Schulsystems dieses erweiterte Verständnis des Begriffes „Bildung“ sein sollte. In diesem Sinn müssen wir auch die Aufgaben der Institutionen definieren, die diese Form der Bildung realisieren sollen. Jeder Einzelne muß aber auch endlich begreifen, daß er für seine Bildung selbst verantwortlich ist. Daher müssen wir Schüler und Studenten zur Selbständigkeit erziehen. Und wir müssen ihnen klarmachen, daß es allein in ihrer Verantwortung liegt, zu welchem Zweck sie ihre Bildung „benützen“. Venek Silhan

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