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Kalifornien richtet verurteilten Mörder

Exekution wurde mehrmals aufgeschoben/ Über 2.500 zum Tode Verurteilte warten in den US-Gefängnissen auf ihre Hinrichtung  ■ Aus Washington M. Sprengel

Erstmals seit 25 Jahren ist am Dienstag im US-Bundesstaat Kalifornien ein Häftling in der Gaskammer hingerichtet worden. Nach einer turbulenten Nacht, in der die ursprünglich für Mitternacht angesetzte Exekution von Robert Alton Harris mehrfach gestoppt worden war, hob das Oberste Gericht in den frühen Morgenstunden auch den vierten Strafaufschub auf und entschied endgültig, daß keine weiteren Aussetzungen mehr angeordnet werden dürften. Harris, der vor 13 Jahren wegen des Mordes an zwei Teenagern zum Tode verurteilt worden war, wurde als 169. Sträfling exekutiert, seitdem der Oberste Gerichtshof 1976 die Todesstrafe in den USA wieder legalisiert hat. Kaliforniens Gouverneur Pete Wilson hatte am 16. April eine Begnadigung abgelehnt. Die Argumentation der Harris-Anwälte, ihr Klient sei für seine Tat nicht verantwortlich zu machen, weil er aufgrund des Alkoholismus seiner Mutter bereits während der Schwangerschaft und später durch die Mißhandlungen seiner Eltern einen bleibenden Hirnschaden erlitten habe, wies Wilson zurück. Am letzten Freitag schließlich versuchten die Anwälte des Todeskandidaten, vor einem Berufungsgericht mit der Begründung, die Hinrichtung mit Gas sei eine „grausame und ungewöhnliche Bestrafung“, den Termin zu verschieben. Ein dreiköpfiges Richtergremium lehnte den Antrag ab. Mehr Erfolg schien Harris' Verteidigung dann in der Nacht von Montag auf Dienstag mit der gleichen Argumentation sowie dem Hinweis zu haben, die Staatsanwaltschaft habe Beweismaterial unterdrückt, daß Roberts Bruder Danny die ersten Schüsse auf die beiden Jungen abgegeben habe. Das gleiche Berufungsgericht — diesmal aber alle 28 Richter — wurde um Aufschub gebeten und gab nach. Insgesamt vier Aussetzungen der Hinrichtung wurden genehmigt, der letzte Stopp— Harris war bereits in der Gaskammer festgeschnallt worden— war besonders dramatisch. In allen Fällen hoben die Obersten US- Richter die Entscheidung ihrer Kollegen allerdings auf und machten schließlich den Weg für die Hinrichtung frei.

Kalifornien ist der 20. US-Staat, der wieder Gebrauch von der Todesstrafe macht, die nur von 1968 bis 1976 in den USA abgeschafft war. Weitere 16 Staaten sehen die Tötung eines Mörders zumindest in ihren Gesetzen vor, haben sie aber bisher noch nicht angewandt. Bisher galt die Todesstrafe als vor allem im Süden verankert. Das wird sich jetzt, nachdem Kalifornien seine Zurückhaltung aufgegeben hat, möglicherweise ändern. Insgesamt warten über 2.500 zum Tode Verurteilte auf ihre Hinrichtung. Der Pro-Todesstrafen- Stimmung im Lande folgend, zeigt sich auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Clinton als Verfechter einer harten Linie. Er wohnte kürzlich medienwirksam der Exekution eines Mörders bei.

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