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Eiserner Besen fegt durch die Kneipen

■ Kreuzberger Kneipen nach Drogen durchsucht, sechs davon geschlossen/ »bronx«-Geschäftsführer vermuten Säuberungsaktion für Hauptstadt

Kreuzberg. Mit eisernem Besen »säubert« das Kreuzberger Bezirksamt zur Zeit die Kneipenszene. Zehn Lokale wurden im letzten Vierteljahr wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz durchsucht, sechs danach auf Anordnung des Kreuzberger Wirtschaftsamts geschlossen. Die letzte Razzia fand in der Nacht zu Gründonnerstag in der Szenedisco »bronx« in der Wiener Straße statt: Gegen 23 Uhr durchsuchte eine Polizeihundertschaft die Disco wegen angeblicher Gefahr im Verzuge. Die Ausbeute: 50 Gramm Haschisch, die bei einem Gast gefunden wurden. Das Wirtschaftsamt verfügte daraufhin die sofortige Schließung der Disco. Aufgrund einer einstweiligen Anordnung, die die Geschäftsführer der bronx bei Gericht erwirken konnten, ist die Disco seit Samstag zwar wieder offen. Der Kreuzberger Wirtschaftsstadtrat Wulf-Jürgen Peter (CDU) kündigte jedoch an, gegen diesen Beschluß Beschwerde einlegen zu wollen.

Die Geschäftsinhaber der bronx betonten gegenüber der taz, die Disco sei dafür bekannt, daß dort keine Drogen geduldet würden. Zur Überwachung der Gäste — »wir können denen doch nicht in die Tasche greifen« — sei in der Disco schon vor längerer Zeit eine Videoanlage installiert worden. Für die Razzia haben die Geschäftsführer nur eine Erklärung: »Kiezbereinigung für die Hauptstadtplanung«. Sie sehen die Razzia in der bronx im Kontext der übrigen neun Kneipendurchsuchungen im Kiez. Der Bezirk habe offensichtlich »die Hoffnung, irgendwo etwas zu finden«, um die Läden dichtmachen zu können.

Der Kreuzberger Wirtschaftsstadtrat Peter verwahrte sich gestern entschieden gegen diese Annahme, »wir lassen uns nicht politisch einspannen«. Der Grund für die zehn jüngsten Razzien seien Hinweise von Anwohnern und Eltern, daß in den Lokalen Drogen konsumiert und/ oder gehandelt würden. Außerdem habe der Drogenkonsum und Handel in Kreuzberg seit der Maueröffnung drastisch zugenommen. Daß es sich bei den zehn Durchsuchungen um eine neue Kampagne des Wirtschaftsamtes handele, dementierte Peter. Er wies darauf hin, daß auch im vergangenen Jahr 14 Kneipen in Kreuzberg vorübergehend oder endgültig geschlossen worden seien.

Die wilden Gerüchte, die in Kreuzberg über die Kneipenschließungen kursieren, hat sich der Wirtschaftsstadtrat allerdings selbst zuzuschreiben, weil er zu keiner differenzierten Auskunft in der Lage ist. Auf die Frage, was für Drogen und welche Mengen in den zehn durchsuchten Kneipen gefunden worden seien, erklärte er gestern pauschal: »Von Haschisch über Kokain, Heroin, Marihuana und Speed war alles quer durch den Gemüsegarten von 35 Gramm Heroin bis zu einem Pfund Haschisch dabei.« Nur bei der Kneipe »Madonna« in der Wiener Straße, die vor ein paar Wochen geschlossen wurde, wußte Peter, daß dort Kokain und Haschisch gefunden worden seien und im Café »Regenwald« in der Forsterstraße Heroin und Marihuana.

Die Verunsicherung bei den Inhabern der Szenekneipen ist groß, und die Gäste reagieren sauer. Ein Kneipenwirt, für den es keine Frage ist, daß Haschisch und Marihuana legalisiert gehören, berichtete, daß es früher im Kiez eine Art stillschweigende Legalisierung weicher Drogen gegeben habe. Jetzt müßten die Wirte Polizei spielen und die Gäste rausschmeißen, wenn sie mal einen Joint rauchen wollten, um das Lokal nicht zu gefährden. plu

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