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Serbien gegen den Rest der Welt

■ Serbiens Nationalisten fühlen sich von der Achse Bonn-Washington bedrängt

Radovan Karadzic, der politische Führer der Serben in Bosnien, lächelte nur, als er die von den USA angedrohten Sanktionen gegen die Aggressionspolitik Serbiens vor laufender Kamera bewerten sollte: „Die Weltmacht USA spielt sich doch nur auf, ich kann den Herren im Weißen Haus versichern, daß zehn Millionen Serben jetzt erst recht denken und atmen wie eine Person.“ Und dann folgten im serbischen Fernsehen lange Ausführungen, wie sich unter der Federführung Deutschlands eine „Weltverschwörung“ gegen das serbische Volk herauskristallisiere. Aber für Karadzic ist eins klar: „Es gibt niemanden, der vor diesem Druck zurückweichen wird.“

Den Belgrader Zeitungen zufolge wird Serbien niemals von dem Kurs abweichen, die „serbische Volksgruppe Bosniens mit allen Mitteln zu unterstützen“. Selbst Slobodan Milosevic, Serbiens Präsident und nach seiner Vorstellung bald auch Präsident eines neuen „dritten Jugoslawiens“ (nach dem Königreich, der sozialistischen Republik nun das neue Rest-Jugoslawien, d. Red.), gibt sich die Ehre, persönlich in der Belgrader Presselandschaft die „falschen Beschuldigungen Washingtons“ ins rechte Licht zu rücken. Sein persönlicher Berater, Dr. Aleksandar Prlja, benennt im Hausblatt des Präsidenten, der Tageszeitung 'Politika‘, die drei Gründe, weshalb Amerika nun Partei für die „Feinde Serbiens“ ergreife, die das serbische Volk in einen „Genozid“ treiben wollten. Zum einen herrsche Wahlkampf, und da käme es Bush gelegen, die Muskeln spielen zu lassen. Man wolle zeigen, man sei eine Weltmacht. Und da man nicht wieder einen Krieg mit einem arabischen Land vom Zaun reißen könne, wolle man sich diesmal ein „christlich orthodoxes Land“, sprich Serbien, vornehmen, um seine Vormachtstellung auf dem Balkan auszubauen. Da das „faschistische“ Bonn derzeit die Politik auf der Balkanregion bestimme, wolle Washington nicht länger abseits stehen. Und so sei es zu der atlantischen Achse gegen Serbien gekommen.

Um diese Gefahr auch plastisch vor Augen zu führen, spannt man in Belgrad jeden ein, der sich für die Milosevic-Propaganda hergibt. Leider fanden sich dafür auch zwei serbische Juden, angeblich aus der Jüdischen Gemeinde Belgrads, die sich nicht scheuten, in der populären Nachrichtensendung Argumente den Genozid am jüdischen Volk im Dritten Reich mit dem jetzigen „Genozid am serbischen Volk“ zu vergleichen. Klara Mandic und Milko Josip legten ausführlich dar, weshalb man den „Faschisten“ Tudjman in der kroatischen Hauptstadt Zagreb und Izetbegovic im bosnischen Sarajevo den Krieg erklären müsse. Milko Josip: „Wir Juden wissen, was Genozid heißt, wir haben ihn schon erleben müssen. Doch was sich dieser Tage in Bosnien ereignet, kommt dem Völkermord des Dritten Reiches nahe.“ (Radio Belgrad 21.4. 92)

Am weitesten spannt, wie schon im Krieg gegen Slowenien und Kroatien, der Cetnik-Führer Vojislav Seselj den Bogen der „Weltverschwörung“. In einem Interview mit der Tageszeitung 'Jedinstvo‘ wiederholt er nicht nur seinen alten Vorschlag, man müsse alle Kroaten, die heute noch in Serbien lebten, vertreiben, da diese die serbische Minderheit Kroatiens zu Hunderttausenden vertrieben haben. Er setzt sich auch dafür ein, Hunderttausende Muslimanen im serbischen Sandzak und ebenso viele Albaner des Kosovo auszusiedeln. Seseljs Quintessenz: Die Kosovo-Albaner hätten an dem Krieg in Bosnien „Appetit“ bekommen und bereiteten sich ihrerseits vor, den „Genozid an dem serbischen Volk von Kosovo“ einzuleiten.

Von dieser Hetzstimmung heben sich derzeit nur zwei Zeitungen in Serbien ab. Die Tageszeitung 'Borba‘ versucht, die Aggressionspolitik Serbiens in Bosnien halbwegs objektiv darzustellen; und das oppositionelle Wochenblatt 'Vreme‘ titelte schon vor Wochen: „Es beginnt der Krieg gegen Bosnien.“ Für beide Blätter ist der Schuldige der Kriegspolitik Belgrads ausgemacht: Slobodan Milosevic und die Generäle, die indirekt auf sein Kommando hören und Freischärlerführern wie Vojislav Seselj die „Kleinarbeit im Töten“ ('Vreme‘) überlassen. Roland Hofwiler

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