Wo Barbarei auf Kultur kracht

■ Der Bildhauer und Bühnenbildner Fritz Wotruba im Gerhard Marcks-Haus / Der Architekt der Götterdämmerung

Oedipus in der „Burg“: Bühnenbild von Fritz WotrubaAbb.: Katalog

Ein „manchmal nicht gut riechender Misthaufen“ — so nannte Fritz Wotruba (1907-1975) seine Heimatstadt Wien. Deswegen wollte er hier und nicht in Berlin oder Paris oder irgendwo anders leben. Hier in Wien hat er auch die im Wortsinn mächtigsten Eindrücke hinterlassen. Wotruba, der theaterbesessene Bildhauer mit schwerer Kindheit, war ein

hierhin das Bühnenbild

Recke des Steinehauens und zeitlebens damit beschäftigt, am Steinblock seinen prügelnden Vater zu kompensieren.Das Gerhard Marcks-Haus zeigt bis zum 8.Juni Vorstudien und Entwürfe, Aquarelle, Gips- und Bronzemodelle sowie einige große Arbeiten des Meisters, dem mittlerweile eine „Wotruba-Schule“ nachgesagt wird.

Im Bremer Bildhauer-Museum wird vorrangig der Bildhauer Wotruba als Bühnenbildner vorgestellt. Der gelernte Graveur hatte schon in den späten 20ern unter dem Einfluß des Kubismus mit dem „Wiener Barock“ aufgeräumt, mit Illusionismus und illustrativer Kunst. Seine Torsi waren ungeschlachte, konstruktive Blöcke auf der Grundlage einfacher geometrischer Formen. Seine martialische und großartige Arbeitsweise sprach 1960 Ernst Haeusserman, den Direktor der „Burg“, an, der in seinem Haus eine Antike-Zyklus herausbringen wollte. Er brachte Wotruba mit Gustav Sellner, den er ebnefalls für das Projekt gewinnen konnte, zusammen: eine lange und legendäre Zusammenarbeit begann. „Kultisches Theater“, das war beider Sache. Die großen antiken Themen ihr Metier.

1960 „Oedipus“ von Sophokles, 1961 „Antigone“, 1963 „Elektra“, 1967 dann an der Deutschen Oper in Berlin Wagners „Ring der Nibelungen“: Skizzen und Kostümentwürfe (wie für Oedipus, die Nornen), Modelle von Bühnenbildern (z.B. Götterdämmerung) kann man im Gerhard Marcks-Haus ansehen. „Jede elementare Theaterkunst gibt mir große Freiheit — und die nehme ich mir auch“, sagte Wotruba. Wo Kultur auf Barbarei krachte, war sein Platz. Kein Platz war für Dekoratives. Für den „Ring“ entwarf er einen „Baukasten“ aus 117 großen Blöcken, die in immer neuen Kombinationen eingesetzt wurden. Urlandschaften aus kristallinen Blöcken: „Ich baue den Sockel der Wagnerschen Stimme.“ Es kam vor, daß der Chor auf seinen hoch aufgetürmten Gebirgen plaziert war.

Das ständige Sprengen von Dimensionen mag auch einen Grund in der verfehlten Berufswahl haben: „Ich bin ein verhinderter Baumeister,“ hatte Wotruba herausgefunden. Im Grenzbereich zur Architektur bewegte er sich mit einem 32 Meter langen Relief für die Universität Marburg. Und 1964 erhielt er den Auftrag, in Wien eine Kirche zu bauen. In offenkundiger Verwandschaft zu seinen Bühnenbildern von „Rheingold“ und der „Götterdämmerung“ türmte er gewaltige Platten und Blöcke scheinbar wirr übereinander, asymmetrisch, voll innerer Dramatik, bewegt. Angelehnt an (halluzinierte) Kultstätten längst vergangener Kulturen entstand in Wien-Mauer aus 152 Betonblöcken zwischen 1974 und 1976 „Zur Heiligsten Dreifaltigkeit“: eher ein Mahnmal als ein Platz für Fromme. Bus

Das Gerhard Marcks-Haus bietet Führungen, Vorträge und Lesungen im Zusammenhang mit der Wotruba-Ausstellung an — jeweils donnerstags um 17 Uhr sowie einen musikalisch-literarischen Abend am 27.Mai, „Die Wien- Falle“. Zur Ausstellung hat die Gerhard Marcks-Stiftung ein umfangreiches Begleitbuch mit zahlreichen Beiträgen und Abbildungen herausgegeben (39 Mark). Ein Non-Stop-Video erlaubt Einblicke in Leben und Werk des Meisters.