: „Man sieht sich nicht satt!“
■ Der kleine Bremer Heidmük-Verlag produziert seit 19 Jahren großartige Kleinigkeiten für Kinder
Und wenn auch nochmal 20 Jahre ins Land gehen: So schiere bloße Handelsware, Hauptsache lukrativ, wird das nie, was der Bremer Verleger Günther U. Müller sich ausdenkt, produziert und vertreibt. Bestes Beispiel: die Schatzkästlein, weiße Papp- Schächtelchen mit buntem Bild drauf, am besten ganz in kindlichen Hosentaschen zu verwahren. Nie weiß man's: Welche Herrlichkeiten werden diesmal drin sein? Und findet dann winzige gläserne Wunder: den flaschengrünen Halbmond, blaue geschliffene Tränen, auch weiße Mondsteine! Es ist typisch für den Verleger Müller, daß er von den Perlen und Steinen, als Abfall waggonweise aus einer Straß- Fabrik im Sudetenland ins Rheinland gebracht, überhaupt erfahren hat. „Pfundweise füllen wir das“, erzählt Müller, und dann sitzt er später vor den Schächtelchen: „Da ist doch noch gar kein Rotes drin! Und wer kriegt den Halbmond?“
Diesen Charme merkt man der ganzen Verlags-Produktion an. Tatsächlich 1 Mark kosteten damals, vor 19 Jahren, die ersten Lirumlarum-Hefte, schwarz-weiße Leporellos mit Kinder-Geschichte, Würfelspiel, Grafik,
Und solche Szenen dann noch in bunt! Design: Eva-Maria Ott-Heidmann
Ratebild. Schön und ambitioniert, aber für den Buchhandel offenbar zu billig, findet Müller heute. Ja damals! Da hatten die arbeitslosen LehrerInnen ja noch nicht die Tee- und Holzspielzeug- Läden erfunden, und billige, schöne Sachen, Tresenware, gab es gar nicht.
2-Marks-Hosentaschen-Spiele folgten im Sortiment und sind, wie fast alles, bis heute erhältlich, groß wie Streichholzschachteln. Und Jetzt wird es höchste Zeit, auf die unverwechselbare Designer
Kinder-
Spielkarten
in und Grafikerin Eva-Maria Ott- Heidmann hinzuweisen, deren Handschrift bis heute alle Produkte des Heidmük-Verlages tragen. Sie entwarf die ersten 32 Spiel-Karten im Kinderfaust- Format, erfand Figuren und Tiere, bis heute, auch den kleinen dicken König, den Zwerg und das Eichhörnchen.
Und dann kam Farbe ins Spiel! Mit wirklichen Kartenspielen zu Zeiten der öden Auto-Quartette: der anrührende Schwarze Peter war auch ökonomisch der Durch
bruch und ist bis heute Renner geblieben. Da sind nicht Motive auf Pappe gedruckt, da ist jedes Bild eine Szene, eine eigene Geschichte. Wie eine Frau vor dem Haus auf der Bank sitzt, die Katze auf dem Schoß! Wie liebevoll Tiere zum Quartett zusammengestellt sind: Was wären vier Vogel- Karten ohne das Rotkehlchen? Da fletscht das Krokodil vor dem Nil die Zähne, aber die Kuh, das wunderbare Schaf, Schwein und Ziege weiden, glotzen, wühlen friedlich.
„Das ist kein naturwissenschaftliches Konzept, schon gar kein pädagogisches; die Kinder müssen sich hineindenken können!“ findet Günther Müller einfach, und deshalb muß die Maus dabeisein und das Wildschwein, nur „weil es so schön ist“. Pädagogische Miesepeter-Diskussionen lassen Müller kalt. Warum er diese heile Märchen-Welt anbietet, wurde er in den Hochzeiten des pädagogischen Erwachens in den 70ern gefragt: „Ich kann den Kindern doch nicht extra Kaputtes anbieten!“ Und deshalb gibt es das große Sortiment der bild- schönen Kleinigkeiten, der winzigen Schachteln mit Anziehpuppen, der Lesezeichen und Klebebildchen, Renner für Kindergeburtstage, Rätsel- und Märchen- Postkarten, Briefpapier mit den vier Jahreszeiten. Im kleinen „Minipfiff-Laden“ Am Schwarzen Meer Nr. 7 ist das alles anzugucken und außerdem in allerlei Geschenke-Läden, Naturwaren, Papeterien, Holzspielzeug-Läden zu kaufen. Wieso die Heidmük-Kindersachen europaweit einen kleinen festen Marktanteil haben, das erklärt Günther U. Müller so: „Man sieht sich nicht satt.“ Stimmt.
Susanne Paas
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