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Randale der Flegel

■ Deutsche Hooligans und Skinheads wurden vor dem Länderspiel festgenommen und ausgewiesen

Prag (dpa) — Das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die CSFR konnten mehr als 100 sogenannte Fans in Prag nicht miterleben. Sie wurden am Mittwoch von der Polizei des Landes verwiesen und erhielten den Paßvermerk „unerwünscht“, der ihnen die Wiedereinreise in die Tschechoslowakei für ein Jahr verbietet. Noch am Donnerstag begleitete die Polizei 22 Randalierer in einem Bus zu einem Übergang an der Grenze zu Sachsen. Ein Deutscher sitzt noch in Haft in Prag, und gegen fünf weitere wurde ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet. 77 meist betrunkenen und kahlgeschorenen Fans wurde ein Bußgeld von bis zu 500 Kronen (rund 30Mark) auferlegt. Die CSFR- Presse berichtete ausführlich über die Ausschreitungen. So schreibt die „Ceskoslovensky sport“: „Das Duell mit dem Weltmeister hatte bereits ein mittägliches Vorspiel auf dem Wenzelsplatz, wo die Polizei gegen allzu fanatisierte deutsche Fans rasant vorging. So war das deutsche Element auch auf den Tribünen in der Überzahl und lautstärker. Die tschechoslowakischen Zuschauer kehrten wie bereits beim England-Spiel einem Fußball-Bonbon den Rücken.“

Die „Svobodne slovo“ berichtet: „Dies war keine Schau für Fußball-Feinschmecker. Dem Spiel ging eine Mittags-‘Vorstellung‘ deutscher Flegel auf dem Wenzelsplatz voraus, die im betrunkenen Zustand in nichts hinter englischen Rowdies zurückblieben und einige Zusammenstöße mit der Polizei provozierten. Danach zogen sie mit Getöse ins Stadion ein, so daß bereits lange vor dem Anpfiff klar war, daß das deutsche Element im Zuschauerraum das Übergewicht haben wird. Der tschechoslowakische Fußballfan ignorierte den Weltmeister und kam nur in sehr beschränkter Anzahl, so daß die Tribünen vor allem mit schwarz- rot-goldenen Fahnen leuchteten und der Gegner wie auf heimischem Rasen spielen konnte.“

Während die Deutschen randalierten, debattierten die Abgeordneten im nahegelegenen Prager Bundesparlament über die Ratifizierung des deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages.

Die Krawalle ließen einen Abgeordneten zu dem Zwischenruf hinreißen, das Verhalten der Randalierer erinnere an das der Deutschen in der Tschechoslowakei vor 50 Jahren. Die neofaschistischen Rowdies zogen mit Hitler-Gruß und Nazi-Parolen durch die Stadt.

Die Polizei hatte sich zunächst zurückgehalten, ging aber später mit Schlagstöcken gegen die Deutschen vor, als diese Bierflaschen, Steine und Knallkörper gegen Beamte und Polizei-Autos warfen. Als bei Skinheads Waffen gefunden wurden, gab die Polizei Warnschüsse ab. Noch kurz vor dem Anpfiff, aber auch nach Spielende, lieferten sich deutsche und tschechoslowakische Fans vor dem Stadion eine Schlacht. Schon am Mittwoch morgen wurden 55 Deutsche auf Prager Bahnhöfen von der Polizei empfangen. Sie hatten vier Waggons völlig verwüstet und wurden umgehend nach Deutschland zurückgeschickt.

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