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„Die Regierung hat ihre Versprechen nicht erfüllt“

■ Zwei Vertreterinnen des türkischen Menschenrechtsvereins auf Informationstour durch die BRD/ Lange Liste von Verschwundenen, Gefolterten, Erschossenen/ Unterstützung für deutsches Waffenembargo

Berlin (taz) — Die neue türkische Regierung hat ihre Versprechen auf Beendigung der Folter und Einhaltung der Menschenrechte „nicht erfüllt“. Das war das Fazit zweier Vertreterinnen des türkischen Menschenrechtsvereins, die gestern in Berlin auf Einladung von StipendiatInnen der Carl-Duisberg-Gesellschaft und der „Stiftung Umverteilen“ eine Informationsreise durch das Bundesgebiet begannen. Sema Pekdas, Istanbuler Rechtsanwältin, und Leman Firtina, Mitbegründerin des seit etwa sechs Jahren aktiven Menschenrechtsvereins (IHD), hatten lange Listen mit Namen von TürkInnen und KurdInnen mitgebracht, die unter der Verantwortung der im Oktober 1991 neugewählten Koalitionsregierung Demirels verschwunden sind oder gefoltert oder erschossen wurden.

Auch die Ankündigung, die kurdische Sprache endlich zu erlauben, sei nicht umgesetzt worden, resümierte Sema Pekdas und nannte Beispiele: Ein kurdisches Institut habe nicht gegründet werden dürfen, ein kurdischer Sprachkurs des „Kulturvereins Obermesopotamien“ sei verboten worden. Und ein internationales Abkommen zum Schutz der Kinderrechte habe die Regierung nur mit der Vorbehaltsklausel unterzeichnet, daß das Recht auf muttersprachliche Erziehung ausgeschlossen sei. Als Beispiel für das Verschwinden von Menschen nannte Leman Firtina ein 14jähriges Mädchen von der Theatergruppe des „Kulturvereins Obermesopotamien“, das seit 20 Tagen vermißt werde. Das Versprechen auf Abschaffung der Folter in Polizeihaft sei ebenfalls gebrochen worden, da nur das berüchtigte Gefängnis in Eskisehir geschlossen, andere aber wiedereröffnet wurden.

Die beiden Frauen begrüßten ausdrücklich das Waffenembargo der deutschen Regierung, das in der Türkei so großen Unmut ausgelöst hatte. Dabei räumten sie „gewisse Widersprüche zwischen Regierung und Militär“ ein. Ilnur Cevik, ein Berater Demirels, habe gegenüber einem ausländischen Journalisten zugegeben, es habe während des blutigen Vorgehens gegen die KurdInnen am Newroz-Fest „Kräfte gegeben, die sich der zivilen Regierung nicht gebeugt haben“. Aber, so die Menschenrechtlerinnen: „Die Position, der zivilen Regierung jetzt nicht in den Rücken zu fallen, ist falsch, weil man immer für die Menschenkämpfe kämpfen muß.“

Ihr Verein setzt sich auch für die Rechte der Frauen und der Homosexuellen ein, die „großen Repressionen ausgesetzt sind“. Zwar hat Atatürk, wie Sema Pekdas berichtete, den Frauen schon 1934 das Wahlrecht gewährt, in einer Zeit, da diktatorische Regimes in Europa Frauenrechte gerade abschafften. Andererseits zeichnet sich das Familienrecht, das 1927 als Übertragung des Schweizer Familienrechts von 1912 eingeführt wurde, durch patriarchalische Vorrechte aus. Entsprechend widersprüchlich, so Leman Firtina, sei die Politik gegenüber den Frauen.

Am Internationalen Frauentag wurde den Istanbulerinnen eine Kundgebung verboten, diejenigen, die am nächsten Tag dagegen demonstrierten, „wurden von der Polizei zusammengeschlagen“. Der Bericht darüber sei in den Zeitungen direkt unter der Ansprache des Ministerpräsidenten zu lesen gewesen, der die Frauen dazu aufrief, auf der Straße für ihre Rechte zu kämpfen. usche

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