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„Sun City“ für Tschernobyl-Kinder

■ Am Baikalsee soll ein Feriencamp entstehen/ Billiger als Auslandsaufenthalte

Solnetschny gorod, zu deutsch Sonnenstadt, am nördlichen Ufer des Baikalsees, mitten in der Autonomen Burjatischen Republik Rußland, fanden Dirk Aprecht und seine Begleiter ideal. Der Mitarbeiter des Kreisjugendringes aus Rems-Murr, rund 30 Kilometer nordöstlich von Stuttgart, und zwei Ärzte aus der burjatischen Republikhauptstadt Ulan Uhde begeisterten den Bürgermeister des von Arbeitslosigkeit gebeutelten Städtchens für ihre Idee: Solnetschny gorod soll Basislager eines Feriencamps für Tschernobyl-Kinder aus Belorußland werden. Das Ganze soll in den nächsten fünf Jahren nach und nach entstehen.

Das ist die Idee von „The Company“. Neben den Baden-Württembergern gehören dazu weißrussische, holländische und spanische Organisationen. Da sie sich meistens auf englisch verständigen, war schnell ein Name für das Projekt gefunden: „Sun City“.

„Um den belorussischen Kindern wirksam zu helfen, sind Auslandsaufenthalte, wie sie derzeit praktiziert werden, nicht das Gelbe von Ei“, stellt Hardy Wieland, bei dem die Fäden in Deutschland zusammenlaufen, fest. Neben Sprachproblemen und dem immer wieder ins Feld geführten „Kulturschock“ seien die Auslandsreisen auch viel zu teuer. Kostja Jurdanow, vom Minsker Partner „Eco-Express“ und Erfinder des Projektes, rechnet vor: „Für das erste Sommercamp 1991, das wir für 87 Kinder und deren Betreuer am Baikalsee gemacht haben, mußten wir 4.500 Dollar zahlen.“ Die Reise nach Deutschland koste mit allem jedoch schon fast 1.000 Dollar für ein Kind.

Die AktivistInnen möchten darüber hinaus auch zum Schutz des Baikalsees beitragen. Er ist zwar im nördlichen Teil noch sauber. Aber im Süden machen Abwässer eines Zellulose-Kombinats dem Ökosystem zu schaffen. Geld für das Projekt „Sun City“, verdienen sich die PlanerInnen „auf mehr oder weniger marktwirtschaftlichem Weg“ (Wieland). Dazu gehören ökologisch-touristische Urlaubsreisen nach Samarkant, auf die Krim und direkt an den Baikalsee, wo u.a. Kräutersammeln auf dem Programm steht. Die Kräuter bekommen buddhistische Mönche, die — neben „konventionellen“ Ärzten — die Kinder in den Sommerlagern mit traditionellen Naturheilverfahren behandeln.

Auch die Kunst kommt für das Projekt zum Einsatz: Unter holländischer Regie wird demnächst ein Buch erscheinen, das Zeichnungen von Kindern enthält, die im vergangenen Jahr bereits am Baikalsee waren. Die „Kunstwerke“ der Kinder werden zudem ausgestellt und verkauft. Geplant sind auch verschiedene Ausstellungen mit Arbeiten des belorussischen Fotografen Wladimir Blinow. Er wagte sich nach dem Reaktorbrand in die verstrahlte „Zone“ und machte dort Aufnahmen nach der Evakuierung der Ortschaften. Ubu, Minsk

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