: Die SPD und das Kreuz mit dem Kreuz
■ Beiräte: Geheim gewählt ist noch lange nicht anonym gewählt
Das war eine bittere Niederlage für die SPD, als am Mittwoch abend in der Mensa der Hochschule für Technik nur 14 von 15 SozialdemokratInnen aus den Beiräten Neustadt und Woltmershausen den Sozialdemokraten Hans Dieter Kahrs gewählt hatten. Wer war der Judas unter den 15 Jüngern?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, setzten sich die Sozis nach dem ersten Wahltag zusammen. Es war klar, am nächsten Tag würde die Wahl wiederholt, und zwar bis zum bitteren Ende. Wie also kann man bei einer geheimen Wahl die sozialdemokratische Stimmenabgabe überwachen?
Das ist ganz leicht. Man beantragt zunächst eine Zählkommission, in der, ganz unverfänglich, von jeder Partei ein Abgeordneter vertreten sein soll. Beim ersten Mal hatten Behördenmitglieder noch die Auszählung der Stimmen vorgenommen. Der Hintergrund der Aktion: Die Sozialdemokraten hatten sich darauf verständigt, entgegen dem üblichen liegenden Walhkreuz (X) ein auffälliges und eindeutiges Erkennungskreuz hinter den Kandidaten ihrer Wahl zu machen, nämlich ein aufrecht stehendes (+). Die so gekennzeichneten sozialdemokratischen Wahlzettel wären durch die Zählkommission gegangen, in der ein Sozialdemokrat gesessen hätte. Was die anderen Auszähler als einfache Stimme gezählt hätten, mußte dem eingeweihten Sozi als parteieigene Stimme unbedingt auffallen.
Zwar wurde die Zählkommission nicht parteiparitätisch besetzt, aber die Zählung war öffentlich. Jeder Interessierte konnte sich nach der Wahl neben die Urne stellen und bei dem förmlichen Akt der Auszählung von 30 Stimmen zusehen. Was für ein Wunder, daß die Sozis plötzlich geschlossen hinter ihrem Kandidaten standen!
„Transparente Demokratie“ könnte man diesen wunderbaren Einfall nennen, aber „Müssen es denn alles Sozialdemokraten gewesen sein, die mit einem senkrecht stehenden Kreuz abgestimmt haben“, versuchte gestern ein Mitglied der SPD die Ehre der Partei zu retten. Nein, tatsächlich, es könnte auch sein, daß ein Sozi mit einem liegenden Kreuz abgestimmt hat. Das nennt man dann Innere Emigration.
Hackstein oder Kahrs: Wen wird Innensenator Friedrich van Nispen dem Senat empfehlen? Die Grünen klopfen auf das Gleichstellungsgesetz, und damit wäre Elisabeth Hackstein Favouritin für das Amt, das erstmals in Bremen von einer Frau übernommen würde. Aus anderen Kreisen wurde die Vermutung laut, daß die Entscheidung zwischen Kahrs und Hackstein im Koalitionsausschuß gefällt werden muß. Im Wonnemonat Mai fällt die Entscheidung, bis dahin wonnt sich
Rosi Roland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen