INTERVIEW
: „Die Lage ist verzweifelt“

■ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Thea Bock ruft zur Soforthilfe für die birmesischen Flüchtlinge auf

Berlin (taz) — Mit einer brutalen Großoffensive geht die birmesische Militärjunta seit Monaten gegen die aufständische Karen-Minderheit in der Grenzregion zu Thailand vor. Bis zum 27.März, dem „Tag der Armee“, sollte der Ort Manerplaw erobert sein, hieß es. Bislang konnten die Rebellen das Karen-Hauptquartier ebenso wie den Sitz der demokratisch gewählten Gegenregierung noch halten. Doch auch die jüngst zutage getretenen Spannungen innerhalb des birmesischen Militärs — die durch den Wechsel an der Juntaspitze nicht beendet sind — bringen keine Hoffnung für die Opposition. Die taz sprach mit Thea Bock, die Anfang April in Manerplaw war.

Thea Bock: Es gibt dort keine Frauen und Kinder mehr, die sind nach den schweren Bombenangriffen auf die thailändische Seite geflüchtet. Bis auf die politischen Funktionäre waren alle Männer an der Front. Die ist bis jetzt — ich habe gestern noch telefoniert — acht Kilometer entfernt. Ich habe mit General Bo Mya gesprochen, dem Chef der „Demokratischen Allianz Birmas“, in der sich die Oppositionsparteien zusammengeschlossen haben; mit dem Präsidenten der Karen-Regierung Ba Thin und mit Sein Win, dem gewählten Premier der Gegenregierung, der ein Cousin der Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ist.

Wir haben dort auch 58 ehemalige Gefangene gesehen. Die trugen noch ihre Häftlingskleidung. Sie waren von den Juntasoldaten aus Gefängnissen unter anderem in Rangun und Mandalay herausgeholt und an die Front gebracht worden. Die Junta zwingt die Gefangenen zu Trägerdiensten. Wenn sie nicht kräftig genug sind, werden sie brutal mißhandelt oder einfach umgebracht. Diese Leute waren geflohen. Um ihren Bedarf an Trägern zu decken, umzingeln die Juntasoldaten zum Beispiel auch Bahnhöfe und Kinos und verschleppen die Leute, die sie so gefangen haben, erzählten sie. Aus den eroberten Karen-Dörfern wurden ganze Dorfbevölkerungen als Träger eingesetzt. Wir haben mit einer Frau gesprochen, die im siebten Monat schwanger war und diese schweren Lasten tragen mußte. Sie wurde viermal vergewaltigt und konnte dann fliehen.

taz: Wie ist die Situation der Flüchtlinge?

Es gibt etwa 70.000 Flüchtlinge auf der thailändischen Seite und vielleicht ebensoviele im Karen-Gebiet selbst. Es fehlt internationale Hilfe, es gibt kein Rotes Kreuz, keine medizinische Versorgung. Auf der thailändischen Seite gibt es 19 Lager, da spenden die norwegischen Kirchen ein bißchen und auch die Thailänder. Das reicht nur für Reis, Salz und Fischpaste.

Was wollen Sie nun nach ihrer Rückkehr hier tun?

Ich werde im Parlament mehrere Anfragen stellen, um die Bundesregierung zu Sofortmaßnahmen aus dem Fonds für humanitäre Hilfe aufzufordern. Ich selbst bin dort schwer verletzt worden und weiß aus eigener Erfahrung, wie katastrophal die medizinische Versorgung ist. Außerhalb der parlamentarischen Ebene wollen wir ein Komitee bilden, das Spenden sammeln kann, damit schnell Hilfe dorthin kommt. Die Lage der Menschen da ist wirklich verzweifelt. Interview: Jutta Lietsch