: Schuldenerlaß für deutsche Banken tabu
■ Großbanken sehen nur geringe Fortschritte in den Schuldnerländern/ Außenstände meist wertbereinigt
Frankfurt/Main (epd) — Fast zehn Jahre nach dem Ausbruch der internationalen Schuldenkrise im Herbst 1982 geben sich die Spitzenmanager der großen deutschen Banken gelassen. „Das Thema ist in der Deutschen Bank abgehandelt“, sagt Vorstandssprecher Hilmar Kopper. Das klingt fast, als ob die dramatische Auslandsverschuldung vieler Entwicklungsländer nie ein Problem gewesen wäre.
Kein Wunder: Die Deutsche Bank hat ihre Außenstände in Höhe von rund sieben Milliarden Mark gegenüber Ländern in der Dritten Welt und Osteuropa in ihrer Bilanz bereits zu 84 Prozent wertberichtigt. Ein kompletter Zahlungsausfall kann die Bank daher kaum mehr treffen. Mit einem saftigen Gewinn von rund sechs Milliarden D-Mark 1991 steht der Finanzkonzern ohnehin ganz dick im Geschäft.
Auch die beiden anderen privaten Großbanken Deutschlands bewegt die Schuldenkrise kaum noch. Und wenn, macht man sich um Osteuropa mehr Gedanken als um die Entwicklungsländer. Die Dresdner Bank und die Commerzbank in Frankfurt beklagen Außenstände von fast zwölf Milliarden D-Mark. Doch auch diese Forderungen sind bereits zu über 60 Prozent wertberichtigt.
Martin Kohlhaussen, Vorstandssprecher der Commerzbank, will gar „gewisse Entspannungstendenzen in Südamerika“ sehen. Sein Kollege von der Dresdner Bank, Wolfgang Röller, hatte sich 1991 allerdings größere Fortschritte erhofft und darauf gesetzt, daß mit wichtigen Schuldnerländern wie Brasilien und Argentinien eine Umschuldung erreicht würde. Immerhin ist seit Anfang April ein Abkommen zwischen Argentinien und privaten Banken unter Dach und Fach: Das Land kann damit seinen Schuldenberg von 64 Milliarden US-Dollar um zehn Milliarden senken.
Nur die Bundesbank hält die Lage der schuldengeplagten Entwicklungsländer „trotz einer inzwischen eingetretenen Besserung“ weiter für prekär: Die Schuldenlast der Dritten Welt ist im vergangenen Jahr nur um vier Milliarden Dollar kleiner geworden. Immer noch stehen die Schuldnerländer nach Angaben der Bundesbank mit dem gigantischen Betrag von 1.351 Milliarden Dollar beim Norden in der Kreide.
Der starke Rückgang der Dollarzinsen auf den Finanzmärkten dürfte den Schuldnerländern mehr Erleichterung als der Brady-Plan eingebracht haben. Das Konzept des US- amerikanische Finanzministers Nicholas Brady enthält eine Mischung aus Schuldenabbau, Erleichterung des Schuldendienstes und neuen Krediten für das betreffende Land. Gekoppelt sind diese Vergünstigungen allerdings an strikte Sparprogramme der öffentlichen Hand und an Strukturmaßnahmen, um die staatlichen Eingriffe in die meist sehr staatsabhängige Wirtschaft zurückzudrängen.
Anlaß zu „vorsichtigem Optimismus“ sieht die deutsche Notenbank ohnehin nur bei den Schuldnerstaaten Lateinamerikas: Dort habe man ernsthaft mit der Inflationsbekämpfung, der Haushaltssanierung und dem Rückzug des Staates aus der Wirtschaft begonnen. Insgesamt konnten die Länder mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen nach Angaben der Bundesbank 1991 ihre Schuldenlast um 19 auf 487 Milliarden Dollar verringern.
Schlimm sieht es dagegen in den ärmsten Ländern aus: Obwohl die Industrieländer vor allem den Staaten in Afrika bereits einen beträchtlichen Teil ihrer Schulden erlassen haben, wird die Lage dort immer dramatischer. 1991 konnten die schwarzafrikanischen Länder ihre Schulden nur um drei auf 162 Milliarden Dollar senken, und dies wohl ausschließlich wegen der gefallenen Zinsen.
Weiter fallende Rohstoffpreise stoßen vor allem die afrikanischen Länder immer tiefer in die Finanzkrise: Mußten sie 1990 noch 24 Prozent der Exporterlöse für die Zinsen und die Tilgung aufbringen, waren es ein Jahr später schon wieder 31 Prozent. Vielen Staaten reichen die Mittel ohnehin nur für die Hälfte der fälligen Raten.
Während die Regierungen des Nordens den ärmsten Ländern einen weiteren Schuldenerlaß um die Hälfte in Aussicht gestellt haben, tun sich die deutschen Großbanken trotz ihrer Rekordgewinne damit recht schwer: Schuldenreduzierung oder gar Schuldenerlaß sind tabu, und nur in Ausnahmefällen kann man sich so etwas überhaupt vorstellen.
Hilmar Kopper denkt nicht einmal mit Blick auf den Umweltgipfel der Vereinten Nationen im Juni diesen Jahres in Rio de Janeiro an weitere Zugeständnisse. Rolf Obertreis
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