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Nach dem Tod rehabilitiert

■ »Spurensuche Otto Katz« — Eine Ausstellung in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Er hätte selbst den Sozialismus von Hollywoodmagnaten finanzieren lassen können, behaupteten die Freunde und Mitarbeiter des tschechoslowakischen Juden Otto Katz. Der Journalist mit dem großen Verhandlungsgeschick, der antifaschistische Kämpfer und Mitherausgeber diverser Zeitschriften in verschiedenen Ländern begann seine Laufbahn in den zwanziger Jahren als Verwaltungsdirektor bei Erwin Piscator. Anfang der fünfziger Jahre wurde er in einem Schauprozeß, dem sogenannten Slánský- Prozeß als Spion und Saboteur angeklagt und zum Tode verurteilt.

Heute ist der Name Otto Katz kaum noch jemandem ein Begriff. Um das zu ändern, zeigt die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz noch bis zum 3. Mai eine Ausstellung mit dem Titel Spurensuche Otto Katz. Die dort zu besichtigenden Briefe und Zeitdokumente aus verschiedenen Archiven Berlins und Potsdams schaffen einen deutlichen Umriß vom Leben des Otto Katz, der sich zeitweilig auch der Pseudonyme André Simone, Franz Spielhagen, Breda oder Rudolf bediente und dessen ausführliche Biographie wohl noch geschrieben werden muß.

Am 27. Mai 1895 wurde Otto Katz in Jistebnice, Böhmen, geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums und der Exportakademie in Wien meldete er sich freiwillig zur Offiziersschule, desertierte aber bald, wurde 1915 erstmalig verhaftet und zur Strafabteilung versetzt. 1918 ging Katz nach Deutschland, arbeitete als freier Journalist und in verschiedenen Verlagen und trat bald in die KPD ein. 1927 schließlich bewarb er sich bei Erwin Piscator, dessen Pläne für ein eigenes Haus am Nollendorfplatz Katz sehr reizten.

An der Piscatorbühne bewies Katz, den seine Freunde als außerordentlich charmanten und gutaussehenden Mann beschrieben, erstmalig sein erstaunliches »Verkaufstalent«. Ihm gelang, was vorher niemandem gelingen wollte: Nach sowjetischem Vorbild schuf Otto Katz ein Autorenkollektiv, in dem er — zumindest kurzzeitig — Autoren wie Brecht, Tucholsky, Toller oder Döblin vereinigen konnte.

Zu dieser Zeit lernte er auch Willy Münzenberg kennen, den »roten Pressezar«, Herausgeber verschiedener kommunistischer Zeitungen in Deutschland. Katz wurde Münzenbergs Verbindungsmann zu Film- und Theaterschaffenden; so begann eine Zusammenarbeit und Freundschaft, die ihn sein Leben lang begleiten sollte. Nach dem Konkurs der Piscatorbühne 1930 und einem kurzen Intermezzo als Direktor der sowjetischen Filmgesellschaft Meshrapom in Moskau reiste Otto Katz 1933 zu dem inzwischen in Paris lebenden Münzenberg und wurde sein Mitarbeiter im »Hilfskomitee für die Opfer des deutschen Faschismus«.

In den folgenden Jahren unternahm der Exilant mehrere Propagandareisen nach Großbritannien und den USA und warb dank??? sehr erfolgreich für das Hilfskomitee. Katz wurde Chefredakteur beim Braunbuch über den Reichstagsbrand und Nazi-Terror in Deutschland und organisierte den Londoner Gegenprozeß über die wahren Brandstifter. 1936 ging er nach Spanien, gründete dort eine Nachrichtenagentur und arbeitete im »Kriegshilfskomitee für das republikanische Spanien«.

Zehn Jahre und etliche Zwischenstationen brauchte es noch, bis Otto Katz wieder in der Tschechoslowakei arbeiten konnte: Bei Ausbruch des Krieges emigrierte er in die USA, dann nach Mexiko, begründete dort die Zeitschrift 'Freies Deutschland‘, initiierte das Schwarzbuch über die Nazi-Herrschaft in Europa und war unter anderem auch als außenpolitischer Berater des lateinamerikanischen Gewerkschaftspräsidenten tätig. 1946 dann kehrte Katz in seine Heimat zurück und erhielt eine Stelle als außenpolitischer Redakteur und Kommentator des Zentralorgans 'Rudé právo‘.

Im November 1952 wurde Otto Katz in der CSSR Opfer einer parteiinternen Verschwörung und Säuberungsaktion: als angeblicher britischer, französischer, US-amerikanischer und zionistischer Agent mit zehn anderen verhaftet und angeklagt, verurteilte ihn das Gericht in einem Schauprozeß zum Tode. Weder Interventionen seiner Freunde noch ein falsches Geständnis konnten ihm helfen. Erst 1963 rehabilitierte ihn die CSSR und verlieh Otto Katz posthum den Orden der Republik.

Die kleine, aber dichte Ausstellung im Seitenfoyer der Volksbühne vermittelt nicht nur Einblicke in die Biographie Otto Katz', sondern auch in seine Theaterarbeit, sein politisches Engagement, in die Pressearbeit von Gestapo bis zu Münzenberg und persönliche Stellungnahmen aus dieser Zeit. Fotografien, Briefe, Plakate, Zeitungsausschnitte und ehemals geheime Papiere dokumentieren das Leben dieses ungewöhnlichen, wenig bekannten Mannes, der seine Verhandlungen und Aktionen stets mit einem zusammengekniffenen linken Auge geführt haben soll. Anja Poschen

Spurensuche Otto Katz — Von der Piscatorbühne zum Slánský-Prozeß noch bis zum 3. Mai täglich im Seitenfoyer der Volksbühne, Rosa- Luxemburg-Platz.

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