: »Am besten, die Ostberliner hätten mitgestreikt«
■ Die taz fragte Berliner und Berlinerinnen auf dem Alex, wie sie mit dem Streik der BVG im Westteil der Stadt zurechtkamen
Berlin. Karl Kretschmar, arbeitslos, Lichtenberg: Bis jetzt gar nicht. Ich werd' jetzt zurückfahren, bringt ja nichts. Ich wollte gerade spontan nach West-Berlin fahren und bin gar nicht so richtig informiert. Der Arbeitskampf im Westen wirkt sich ja indirekt auch auf den Osten aus. Insoweit glaube ich nicht, daß die jetzigen Streiks auf unsere Kosten geführt werden.
Katja Ness, Schwesternschülerin, Lichtenberg: Ich wollte eben zur Spätschicht fahren und weiß jetzt gar nicht, was ich machen soll. Die Telefone funktionieren auch nicht. Ich muß zum Heidelberger Platz, aber ich komm' nicht rüber. Die Westberliner sind wahrscheinlich routinierter, was Streiks betrifft. Wann haben wir denn schon mal gestreikt. Das nächste Mal würde ich mich vorher gleich auf der Arbeit einquartieren. O.k., sollen sie alle mehr Geld verdienen, aber nicht so. Ich weiß zwar auch nicht wie, aber so kann es jedenfalls nicht lange gehen.
Heike Schmitt, Studentin, Friedrichshain: Ich studiere an der Humboldt-Universität, und da bin ich auch nur schwer hingekommen. In Ost-Berlin war ja alles voller Staus, weil so ein großer Autoverkehr nach West-Berlin war. Ich mußte ab Alex laufen, weil der Bus gar nicht mehr durchkam. Generell versteh' ich schon, daß gestreikt wird. Ich finde, man muß sich da reindenken. Wenn ich beim öffentlichen Dienst wäre, würde ich das bestimmt genauso machen. Ich unterstütze die Streiks eigentlich, und man kann nur hoffen, daß es nicht allzu lange dauert.
Andrew Grums, Student für Betriebswirtschaft, Lichtenberg: Ich wollte zur TU-Mensa. Ich dachte, es fahren noch einzelne Busse, aber am Informationsstand von der BVB sagte man mir, daß nichts mehr rüberfährt. Natürlich ist es so, daß die Arbeitnehmer im Osten auch etwas von den Streiks haben, weil ja ihre Tarife an die Westtarife angekoppelt sind. Aber ob das volkswirtschaftlich gut ist, kann ich nicht einschätzen. Die öffentlichen Kassen sind ja schwer belastet. Das Geld, das hier im Osten nicht produziert werden kann, weil die Produktivität noch nicht so hoch ist, muß ja aus dem Westen kommen. Wenn das jetzt durch die Arbeitnehmer abgetragen wird, ist das schwieriger.
Dieter Müller, Aushilfskellner, Marzahn: Ich arbeite im ICC. Ich habe schon angerufen, daß ich nicht kommen kann. Wir hatten gestern vorgeplant und mehr Kellner bestellt. In West-Berlin ist ja auch alles voller Staus, die ganze Avus war voll. Die Westberliner sprechen sich untereinander mehr ab mit ihren Autos. Bei uns fahren die meisten noch allein. Am besten, die Ostberliner hätten gleich mitgestreikt. Dann wär' alles lahmgelegt. Unsere Leute haben ja eh kaum etwas davon, wenn im Westen getreikt wird. Umfrage: markstein
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