: SPARSCHWEINESYSTEM Von Mathias Bröckers
Papa, gibst du mir zwei Mark für ein Eis?“ — „Du hast doch heute morgen sieben Mark Taschengeld gekriegt!“ — „Ja, aber die will ich doch sparen, du weißt doch...“ Geldnot macht Kinder erfinderisch, und das Sparargument ist eines ihrer schärfsten Register: Wenn gar nichts mehr hilft, zusätzliche Finanzen lockerzumachen, kommt der Hinweis auf die schweren Sparanstrengungen der lieben Kleinen. Die natürlich genau wissen, daß sie die Hamster-Pädagogik der Eltern damit unterlaufen. Zu kontern ist dies nur mit einer Grundsatzerklärung, daß Sparen eben immer „vom Munde absparen“ heißt und die spontane Lust auf Eis mit den Freuden der Schatzbildung unvereinbar ist. Aber wer will schon den Sonntag mit Verzichtspredigten vermiesen, also gibt es — immer radikal, niemals konsequent!— eine Mark für ein kleines Eis. Der Hamster ist das Sinnbild des Evolutionsprogramms. „Überleben durch Schatzbildung“, der Begriff des „Hamsterns“ steht für das manische Sammeln von Vorräten, die „Hamsterbacke“ für den physiognomischen Ausbund optimaler Vorratshaltung. Ohne entwickelte Techniken der Energiespeicherung wäre die Evolution vielleicht nie über die Entwicklung einer Hamsterheit hinausgekommen, und noch der Mensch erweist sich bei genauer Betrachtung als vollendet optimierter Hamster. Als bahnbrechend erwies sich in dieser Hinsicht die Erfindung des Gelds, einem Medium, das allen Bio- Überlebens-Vorräten einen entscheidenden Vorteil voraushatte: Es wurde nicht schlecht. Parallel mit seiner Entstofflichung — bis hin zum virtuellen Zustand im elektronischen Phasenraum des Bankcomputers — entwickelte es zudem Eigenschaften, von denen ein Hamster auch im kühnsten Vorrats-Rausch nicht zu träumen wagte: Es vermehrte sich von selbst. Wer einmal genug Vorräte beisammen hat, kann auf ewig seinen Beutel füllen, ohne jemals noch selbst zu jagen — dieses Versprechen hat innerhalb der letzten ca. 5.000 Jahre unter den Menschen zu einer derart perfekten Ausbildung des Hamsterns geführt, daß sich Homo sapiens nicht mehr mit der gewohnten affenartigen, sondern einer weitaus höheren Geschwindigkeit vermehrte und so zur Plage des Planeten wurde. Neuerdings kursiert auf den Kanälen der globalen Interspezies-Kommunikation der Witz von Mega-Hamster Homo und seiner Hyper-Technik des ewigen Wachstums: Homo hatte im Jahre Null einen Pfennig zu vier Prozent Zins angelegt, und als sein Erbe in 500. Generation sich im Jahr 1992 diesen in Gold auszahlen lassen wollte, war der Pfennig zu einem Klumpen größer als die Erde geworden, weshalb diese die Annahme verweigerte. Weil Homo aber auf seinem rechtmäßig erhamsterten Eigentum bestand, entstand bei der Auszahlung ein derart gewaltiges Ungleichgewicht, daß er und seine Freunde hinweggefegt wurden. Der Goldhamster konnte gerade noch überleben und entwickelte sich fortan prächtig — die Menschenseelen plagt seitdem der Ärger, daß sich die Backe dem Bankkonto als Vorratsspeicher evolutionär überlegen erwiesen hat... Und kaum kann Genscher in der Welt nicht mehr den dicken weißen Onkel spielen, tritt er amtsmüde zurück. Nun mag er auf die alten Tage verdient haben, sich absehbare Großschanden, wie etwa die von Rio, zu ersparen, letztlich ist es wohl eher der Zwang zum Sparen, der ihn zum Abgang nötigt — wenn der Bank- Speicher leer ist, helfen auch die tollsten Hamsterbacken nicht.
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