: Eine „ungewöhnlich anständige“ Frau
■ Nicht allzu überraschend hat am Montag Bundesgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) aufgegeben/ Nachfolger wird Norbert Blüms Parlamentarischer Staatssekretär Horst Seefelder
Berlin (taz) — Der Zeitpunkt hätte nicht geschickter gewählt sein können. Im Windschatten des mächtigen Kabinettskollegen Genscher, dessen Rücktrittsankündigung gestern wie ein Blitz einschlug, verkam Gerda Hasselfeldts Schritt zurück ins zweite Glied fast zu einer klammheimlichen Geste.
Bis zum Montag nachmittag brachte die christsoziale Bundesgesundheitsministerin (41) nicht einmal ein persönliches Wort der Erklärung über die Lippen. Statt dessen wurden „aus ihrer Umgebung“ die einer Gesundheitsministerin übel anstehenden „gesundheitlichen Gründe“ genannt. Angeblich überraschte die „zierliche Blondine“ ('Deutsche Presse-Agentur‘) sogar den Bundeskanzler mit ihrem Entschluß, vor den sich auftürmenden Problemen des deutschen Krankenwesens zu resignieren.
Obwohl sich die glücklose Ministerin seit ihrem 19. Lebensjahr durch bayerische Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesvorstände der Jungen Union, der Frauen-Union und durch den Bundestag vorschriftsmäßig nach oben gearbeitet hat, wird ihr heute selbst von Parteifreunden nachgesagt, sie sei eine „menschlich ungewöhnlich anständige“ Frau.
Der große CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß selbst hatte ihr im März 1987 den Weg ins Bonner Parlament geebnet, indem er damals sein Bundestags-Mandat nicht annahm und der Nachrückerin Platz machte. Zwei Jahre später holte Helmut Kohl die niederbayerische Politikerin zur allgemeinen Überraschung als Bundesbauministerin ins Kabinett. Am 18. Januar 1991 wechselte sie dann an die Spitze des frischgezimmerten Gesundheitsministeriums mit der schwierigen neuen Zuständigkeit für die Krankenversicherungen, die zuvor im Bundesarbeitsministerium ruhte.
Ein enger Mitarbeiter, den Gerda Hasselfeldt im Schlepptau durch beide Ministerien führte, könnte letzter Anstoß für den Rücktritt gewesen sein. Er ist vergangene Woche unter Verdacht geraten, für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet zu haben.
Als Nachfolger im CSU-Ministerium ist gestern der 42jährige Bayer und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Horst Seehofer genannt worden. Mit Hasselfeldt verbindet ihn das gleiche Tierkreiszeichen (Krebs), die Anzahl der Kinder (zwei) und der Karrierestart in der Jungen Union. Das Mitglied des Bundesverbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung ist in der Öffentlichkeit zwar ziemlich unbekannt, bei Insidern hat er sich allerdings als Bastler an der 1989 verabschiedeten Rentenreform einen Namen gemacht. Zuvor schon war der in Ingolstadt gebürtige Seehofer maßgeblich am Entwurf der Sozialreform im Gesundheitswesen beteiligt. bg
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