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Die Schönheit der Schallbrücken

■ Kurt Seibert ist mit seinem Fachbereich Musik ins schön sanierte „Alte Gymnasium“ umgezogen / „Sind verdonnert, uns zu freuen“

Auf Anhieb sieht alles großartig aus: hell, hoch, weit. Die Hochschule für Künste (HfK) und ihr Fachbereich Musik präsentierten gestern ihre nach langem, schweren Umbau bildschön sanierten Räume in der Dechanatstraße, im früheren Alten Gymnasium.

„Wir sind gewissermaßen dazu verdonnert, uns zu freuen, weil doch am Osterdeich früher alles viel enger war, und wir haben diese Parole jetzt auch ausgegeben“, sagte gestern der Fachbereichsprecher Prof. Kurt Seibert, der mit seinem Studiengang Musik ins neue Haus hinter der Domsheide umgezogen ist.

Groß ist es geworden; es gibt entschieden mehr Quadratmeter, was übrigens nicht entsprechend mehr Räume heißt. Seiberts Zusammenfassung: „Das Raumangebot ist viel besser als am Osterdeich, momentan sehr gut und zu eng, wenn die offenen Stellen tatsächlich einmal besetzt wären.“ Weder Seibert noch der Hfk-Rektor Jürgen Waller machten gestern bei aller Freude ein Hehl aus den dicken Planungsfehlern: Nett wäre es doch gewesen, wenn der neue Konzertsaal der Musikhochschule eine Garderobe und vielleich gar eine kleine Bühne bekommen hätte, damit die Menschen ab der siebten Reihe auch noch das Bild zum Ton haben. Enorm praktisch wäre es gewesen, wenn die Tür zum Konzertsaal auf Flügelbreite gebracht worden wäre, denn dann, so Seibert, „hätten wir das Instrument waagerecht einfach nach Bedarf selbst hineinrollen können, jetzt macht das eine von uns sehr geschätzte Firma, hochkant, jedesmal für viel Geld.“

Ein Schildbürgerstreich „mit noch hohen Folgekosten“ (Seibert) ist die Verlegung der Kabelkanäle und Heizungsrohre durch dicke Mauerlöcher direkt von Raum zu Raum: gezielte Schallbrücken, durch die die Pianistin links unmittelbar mithören kann und muß, was ihre Kommilitonin an der Geige nebenan gerade üben muß. Vier Sekunden Hall hat Seibert nach der Sanierung gemessen und Krach geschlagen für nachträgliche Dämm-Maßnahmen. Wenn anfangs ein Schlagzeuger im Keller loslegte, erinnerte sich Waller, mußten die Filmer oben die Vertonung so lange einstellen.

Aber schön ist es wirklich geworden! Und weil sich die Studiengänge jetzt automatisch mehr begegnen werden im Gebäude, kann man auf allerlei Projekte zwischen Musik, Architektur, Film- und Video-Werkstatt, Malerei, Mode-Atelier, POP- und Jazz-Archiv und vielleicht auch mal dem Institut Film/Fernsehen hoffen. Im Moment wird vor dem Haus ein vielversprechender Skulpturenhof angeliefert und eingerichtet, „für 2.500 Mark alles selbstgemacht, das würde sonst 250.000 kosten“, so Waller.

„Naja, fachübergreifende Kreativität kann man nicht nach einem Umzug verordnen, die wird sich entwickeln müssen“, fand Seibert, der sich vor allem wünscht, „daß man uns nicht immer in Konzeptions-Scharmützel verwickelt“. Nicht zu vermeiden, daß die Sprache wieder auf die fünf Stellen in der Musik kam, die seit 1980! unbesetzt sind. Seine „sachgerechte Grundausstattung“ wird Seibert denn auch nicht müde zu fordern, schließlich müsse die Hochschule einfach die ganz praktische Ausbildung sicherstellen für künftige Kirchen- und KonzertmusikerInnen: „Was da kulturpolitisch immer alles gewünscht wird, ist jedenfalls nicht unsere primäre Aufgabe“.

Pünktlich zum Umzug wird es Konzerte, Vorträge, Workshops geben, angekündigt in einem schön und hausintern natürlich preiswert produzierten Programmheft. Vom 5.-13. Mai spielen Orchester und SolistInnen zwischen Bach und Stockhausen, debattieren allerlei entgegengesetzt gesinnte Würdenträger über die Bedeutung der Kirchenmusik, sind Neue Musik und Weinproben angesagt. Ein Stück Oper ist dabei, ein Lieder- und Klavierabend, ein Dirigierkurs und eine Bigband. Man läßt sich nicht lumpen: Schließlich ist schon der Senator Scherf in diese Schule gegangen! S.P.

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