: Frauenpolitischer Erfolg
■ betr.: "Frauenquoten im unsicheren Raum?", "Keine Alternative zur Quote", taz vom 23.4.92
betr.: „Frauenquoten im unsicheren Raum?“ (Seite 4), „Keine Alternative zur Quote“, Gastkommentar von Marliese Doberthien, taz vom 23.4.92
[...] Die Nichtannahme der Vorlage aus Münster ist eher als frauenpolitischer Erfolg denn als Mißerfolg zu werten, und zwar aus folgenden Gründen:
1.Das Bundesverfassungsgericht betreibt mit seiner Nichtannahme der Münsteraner Vorlage eine Hinhaltetaktik. Warum wohl? Es hat in den anderthalb Jahren, die seit Einreichen der Vorlage vergangen sind, wahrscheinlich genauestens seine eigene Zuständigkeit überprüft. Die dürfte nicht gegeben sein; denn die Gesetzgebung der EG enthält weitergehende Regelungen zum Thema Frauenförderung. In einschlägigen EG-Richtlinien ist unmißverständlich festgelegt, daß frauenfördernde Maßnahmen für einen begrenzten Zeitraum zulässig sind.
Karlsruhe will wohl die Entscheidung in einem solchen Präzedenzfall — vorläufig — vermeiden. Es wäre ja auch zu peinlich, wenn das höchste deutsche Gericht bei einem so öffentlichkeitswirksamen Thema eine Niederlage einstecken müßte!
2.Daß sich Frauenförderung mit den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht verträgt, ist in der juristischen Diskussion durchaus umstritten. Denn mit einer zeitweisen Bevorzugung von Frauen soll ja erst ein gleichberechtigtes Verhältnis der Geschlechter hergestellt werden! Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in verschiedenen Urteilen (zu anderen Themen) ähnliche Bevorzugungsregelungen gutgeheißen.
Es gibt sicherlich Interpretations- unterschiede bei der Aussage von Artikel 3 (3) (=Verbot von Diskriminierung) und Artikel 3 (2) (=Gleichberechtigungsgebot) sowie Artikel 33 (2) (=gleichberechtigter Zugang zu den öffentlichen Ämtern). Unserer Meinung nach wollten die Väter und die Mutter des Grundgesetzes ganz eindeutig, daß Frauen endlich gleiche Rechte bekämen.
3.Entgegen der landläufigen Meinung enthält das nordrhein-westfälische Frauenförderungsgesetz keine „Quote“, sondern nur eine wirklichkeitsfremde Bevorzugungsregelung. Quotierungsvorschriften enthalten —bisher— nur Gesetzentwürfe der Grünen.
Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag haben Anfang dieses Jahres einen Entwurf für ein Landes- Anti-Diskriminierungs-Gesetz (LADG) vorgelegt, das einerseits Frauenbenachteiligung effektiver verhindern könnte; andererseits wollen wir solch hartes Aufeinanderprallen von Mannes- und Fraueninteressen wie im Münsteraner Fall vermeiden.
Wir haben uns deshalb von der angesehenen Verwaltungsjuristin Prof.Dr.Dietmut Majer ein System von genaueren Kriterien zur Leistungsbeurteilung vorschlagen lassen, das „harte“ Quotierungskämpfe weitgehend vermeiden hilft.
Wer es nachlesen möchte: wir versenden gerne unsere Broschüre zum Thema. Carola Schewe,
Frauenreferentin, Fraktion
die Grünen im Landtag NRW
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