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Irische Frauen fühlen sich erpreßt

Bei Ablehnung des Maastrichter Abkommens sollen Schwangere an der Ausreise gehindert werden/ Der Streit im und außerhalb des Parlaments verschärft sich/ Referendum für 18. Juni angekündigt  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die innenpolitische Debatte um die Abtreibung ist in Irland wieder aufgeflammt. Der Anlaß: Sollte die irische Bevölkerung das EG-Abkommen von Maastricht beim Referendum am 18. Juni ablehnen, müßten schwangere Frauen, die zur Abtreibung nach England fahren wollen, mit einem Ausreiseverbot rechnen. Damit drohte Premierminister Albert Reynolds. Bei einer Ratifizierung des Abkommens durch Volksentscheid garantierte er dagegen die völlige Reisefreiheit.

Reynolds Äußerungen lösten im Dubliner Parlament heftige Kritik aus. Der Rechtsexperte der Oppositionspartei Fine Gael, Alan Shatter, sagte, der „irrationale Beitrag“ füge der Glaubwürdigkeit der Regierung schweren Schaden zu und riskiere die Ratifizierung des Maastricht-Abkommens. „Der Versuch, irische Frauen zu terrorisieren, ist eine unakzeptable und empörende Perversität“, fügte Shatter hinzu. Die Vorsitzende des Frauenrats der Labour Party, Mairead Hayes, warf Reynolds „erschreckende Arroganz“ vor. Und Ursula Barry von der Kampagne gegen das konstitutionelle Abtreibungsverbot sagte: „Die irischen Frauen werden sich nicht dazu erpressen lassen, den Preis für die europäische Einheit zu zahlen.“

Zu seiner Verteidigung führte Reynolds an, er habe lediglich die verfassungsrechtliche Lage verdeutlicht: „Generalstaatsanwalt Harry Whelehan hat mir versichert, daß er nach einem Votum für Maastricht kein gerichtliches Ausreiseverbot mehr beantragen werde.“ Die Opposition forderte daraufhin Whelehans Rücktritt, da er seine unabhängige Stellung mißbraucht habe. „Warum will er Schwangere nach Ratifizierung des Maastricht-Abkommens nicht mehr an der Ausreise hindern“, fragte Michael Noonan von Fine Gael, „wenn er das vor wenigen Monaten noch für nötig hielt? Die irische Verfassung bleibt ja schließlich dieselbe.“

Hintergrund der Auseinandersetzungen ist das Zusatzprotokoll zum Maastrichter Abkommen, in dem der Abtreibungsparagraph 40.3.3 der irischen Verfassung festgeschrieben ist. Aufgrund dieses Paragraphen hatte Whelehan im Februar per einstweiliger Verfügung ein Ausreiseverbot gegen ein 14jähriges Mädchen erlassen, das nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war. Das höchste Gericht entschied jedoch im März, daß bei Lebensgefahr — und die lag bei der 14jährigen angesichts ihrer Selbstmorddrohungen vor — eine Abtreibung zulässig sei. Liege eine Lebensgefahr nicht vor, so das Gericht, könne ein Ausreiseverbot dagegen ausgesprochen werden.

Das Urteil sorgte dafür, daß sowohl Abtreibungsgegner als auch Frauengruppen für eine Ablehnung des Maastrichter Abkommens eintreten. Die einen glauben, daß Schwangerschaftsabbrüche in Irland durch die Ratifizierung legalisiert würden, die anderen befürchten die Degradierung von Frauen zu „Bürgerinnen zweiter Klasse“, denen jederzeit die Ausreise untersagt werden könne. Am vergangenen Wochenende kam es in der Dubliner Innenstadt bei einer Demonstration von 3.000 AbtreibunsgegnerInnen zu einer Schlägerei mit GegendemonstrantInnen.

Reynolds kündigte für November ein zweites Referendum an, in dem über Reisefreiheit und das Recht auf Information über Abtreibung entschieden werden soll — also erst nach dem Maastricht-Referendum. Dieser Zeitplan wurde am Mittwoch trotz innerparteilichen Widerstands rechter Abgeordneter, die einen Volksentscheid über ein wasserdichtes Abtreibungsverbot noch vor Juni forderten, von der Regierungsfraktion abgesegnet, da laut Reynolds eine „Änderung des irischen Abtreibungsparagraphen ohnehin nicht durch das Maastrichter Abkommen abgesichert“ wäre.

Die irische Regierung verstrickt sich bei den Versuchen, die Ratifizierung des Abkommens durchzuboxen, immer mehr in Widersprüche. So behauptete Reynolds am Mittwoch, Maastricht habe eigentlich gar nichts mit der irischen Abtreibungsfrage zu tun. Das löste in Anbetracht der monatelangen Debatten um das Zusatzprotokoll freilich schallendes Gelächter im Parlament aus. Die letzte Möglichkeit, beide Themen durch eine Streichung des Zusatzprotokolls zu trennen, bleibt ungenutzt: Bei dem heutigen EG-Außenministertreffen im portugiesischen Guimaraes will die irische Regierung lediglich eine keineswegs bindende förmliche Erklärung ins Protokoll aufnehmen lassen, wonach Reise- und Informationsfreiheit später geregelt werden sollen. Eine Streichung des Zusatzprotokolls hätte Neuverhandlungen mit den elf EG-Partnern erfordert, sagte Reynolds. Das bestreiten jedoch EG- Rechtsexperten. Die liberal-konservative 'Irish Times‘ prophezeite am Donnerstag, daß viele Menschen wegen der Dummheit der Regierung gegen Maastricht stimmen werden.

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