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Randale am 1. Mai in Kreuzberg

Tausende bei „Revolutionärer 1.-Mai-Demonstration“/ Über 60 Festnahmen/ Massiver Tränengaseinsatz/ Übergriffe auf Polizeibeamte/ Brennende Autos am Kottbusser Tor  ■ Aus Berlin Jeanette Goddar

Heraus zur revolutionären 1.-Mai- Demo. Nach der hatte es in den vergangenen Jahren immer Krawall gegeben — sie trieb es auch gestern wieder 10.000 bis 15.000 Menschen in Kreuzberg auf die Straßen. In der Nähe des Görlitzer Bahnhofs räumten vermummte Kids einen Computerladen aus und steckten, als die Polizei nicht schnell genug am Ort des Geschehens war, ein Auto in Brand. Rund ums Kottbusser Tor stand die Polizei im Spalier. Offenbar begannen türkische Jugendliche die Polizei mit Flaschen und Steinen zu bewerfen. Daraufhin zog sie sich zurück und begann, Wasserwerfer einzusetzen. Kaum war der Anfang des Demonstrationszuges dann am Kottbusser Tor angelangt, eskalierte die Gewalt. Ein Steinhagel ging auf die Polizisten nieder. Im mittleren Teil des Demonstrationszuges versuchte die Polizei dann, die Steinewerfer und Provokateure herauszuziehen. Auf den Steinhagel antwortete die Polizei mit Wasserwerfern und Schlagstockeinsatz. Zu Redaktionsschluß dieser Ausgabe herrschte ein unübersehbares Chaos.

Bereits im Vorfeld hatte es Irritationen zwischen den verschiedenen Veranstaltern über den Verlauf des Zuges gegeben. Bei Beginn des Marsches versuchten Demonstranten, die „Revolutionären internationalen Marxisten“ an der Teilnahme zu hindern — erfolglos. Mit 32 Lautsprecherwagen zogen die Demonstranten zu Beginn weitgehend friedlich durch Kreuzberg. Türkische, kurdische, antifaschistische und antirassistische Gruppierungen sowie Schwule und Lesben wandten sich bei der Demonstration hauptsächlich gegen Rassismus und Imperialismus. „Nie wieder Deutschland“ hieß es auf den Transparenten. Zu Beginn der Demonstration hatte die Polizei alle Passanten durchsucht. Bereits im Vorfeld wurden über 20 bewaffnete Persoinen festgenommen und bei ihnen Knüppel, Reizgas-Sprühgeräte und Messer sichergestellt. „Wir wollen auf jeden Fall verhindern, daß es zu Krawallen kommt. Wir sind mit unseren Kräften vorbereitet“, sagte ein Sprecher der Polizei, die mindestens 4.000 Beamte im Einsatz hatte. Allein durch ihre Präsenz wollte sie, so die „Strategie“, Ausschreitungen verhindern. Insbesondere die Rassenunruhen in Los Angeles sowie das Vorgehen der spanischen Polizei gegen Demonstranten bei der Weltausstellung Expo '92 waren Thema der Kundgebungen.

Zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten mit Polizei und Bundesgrenzschutz kam es in Prenzlauer Berg, wo sich etwa 100 Anhänger der rechtsradikalen FAP versammelt hatten. Als sie unter dem Schutz mehrerer hundert Beamter losmarschieren wollten, schleuderten Gegendemonstranten Steine und Leuchtmunition gegen Neonazis und Polizei.

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