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Tränende Herzen und Flammenblumen

■ Die »Gärtnerhof GmbH«, das größte und älteste Gärtnereikollektiv in Berlin, feiert ihr zehnjähriges Bestehen/ Eröffnung einer Staudengärtnerei in Frohnau/ Spezialität: Hof- und Dachbegrünungen sowie Pflanzenzucht ohne Gift/ Keine Gurkentruppe trotz Anbaus von Biogurken

Frohnau. »Da haben wir den Salat!«, tönt es begeistert von den Beeten. Überall auf der 6.000 Quadratmeter großen Freifläche flanieren Frohnauer Familienväter oder auch Friedrichsfelder Freaks, beschauen sich die Blütenpracht, zupfeln an den Staudengewächsen, beriechen die Pflanzenexoten im Gewächshaus oder stolpern zwischen Tomaten und Zucchinis herum. Der Anlaß dieses garantiert giftfreien Gartenfestes inmitten von Blumen und Sträuchern: Unkraut vergeht nicht. Die 20 MitarbeiterInnen der »Gärtnerhof GmbH« feiern das zehnjährige Bestehen ihres Kollektivs. Genau genommen, gibt es an diesem Wochenende sogar zwei Gründe für die Fete zwischen Frühlingsenzian und Felsenbirnen: Erstens das Firmenjubiläum, immerhin ist der Gärtnerhof das älteste und größte Gärtnereikollektiv in Berlin. Und zweitens die Eröffnung der Staudengärtnerei am Dominikus-Krankenhaus in Frohnau.

Denn der Stammbaum des Gärtnerhofes steht eigentlich in Heiligensee. Uwe Schwendeit, bärtiger Ingenieur für Landschaftsplanung, übernahm dort 1982 eine kleine Gärtnerei. Aus anderem Holz geschnitzt, wollte er »kein normaler Unternehmer werden«, sondern den ganzheitlichen Ansatz »zusammen arbeiten, zusammen leben« verwirklichen. Letzteres funktionierte nicht auf Dauer, ersteres schon, auch wenn das Gärtnerkollektiv keineswegs auf Rosen gebettet war. Nach einer ökonomischen und ideologischen Krise im Jahre 1984 wurde der Einstiegsmodus geändert: Gesellschafter durfte man erst nach einjähriger Mitarbeit werden, derzeit sind neun von zwanzig Mitglieder der GmbH. Die Diskussion um den Einheitslohn — derzeit 13 Mark pro Stunde für alle — tobt jedoch bis heute. Erst Ende der 80er Jahre stabilisierte sich die Auftragslage in allen Bereichen, als da sind: Verkauf von Pflanzen, Handel mit rein biologischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, Pflege von privaten und öffentlichen Grünanlagen, Kundenberatung, Garten- und Landschaftsbau inklusive Teichanlagen und astreinen Holzkonstruktionen.

Eine Gurkentruppe wollte das Kollektiv — zur Hälfte Frauen und Männer — trotz Anbaus von Biogurken allerdings nie sein. Der Anspruch auf Professionalität wird genauso gepflegt wie die Tausenden von Setzlingen in den beiden Gärtnereien, die im Krankheitsfall mit Pyrenthrum oder Brennesseljauche, aber nie mit Chemie behandelt werden. Als Konsequenz aus der Einsicht, daß die chemisierte Landwirtschaft auf lange Sicht sich selbst den Ast absägt, auf dem sie sitzt.

Apropos: Der Gärtnerhof kümmert sich auch um Äste und Bäume. Wer ein Krüppelchen vor der Tür stehen hat und es retten will, kann sich dort Rat und Tat holen. Aber auch Hof- und Dachbegrünungen stehen auf der Angebotsliste des Kollektivs, seit es 1983 den ersten Hof in der Oppelner Straße in Kreuzberg und seitdem diverse Normal- und Alternativprojekte mit »wildschönen Pflanzungen« umzingelte.

Der Staudengärtner Uwe Peglow mit seinen blonden Schnittlauchlocken sitzt im Glashaus und wirft einen liebevollen Blick auf die Bachstelze, die sich hier mitten im Aufenthaltsraum der GärtnerInnen ein Nest gebaut hat. Uwe Peglow ist ein Neuzuwachs des Kollektivs aus dem Osten, er hat drei Jahre in der Staudengärtnerei in Potsdam-Bornim gearbeitet, die unter den Händen des international bekannten Staudenzüchters Prof. Karl Foerster (1874-1970) entstand. »Wer einmal bei Foerster war, der will nichts anderes mehr«, sagt sein Schüler bewundernd über den Botaniker und Dichter mit der blumigen Sprache. Karl Foerster hatte sich vor allem auf Stauden spezialisiert, den Pflanzen im Mittelbereich zwischen Einjahrsblumen und Gehölzen, und unendlich viele Variationen gezüchtet. Eine seiner Spezialitäten war Rittersporn in allen Formen und Farben, sowie Phlox, Flammenblumen, die im August die Gärten mit brennenden Farben überziehen. Der Gärtnerhof, der sich der Foersterschen Tradition verpflichtet fühlt, hat sich deshalb in seiner neuen, vom Dominikus-Krankenhaus übernommenen Gärtnerei besonders der Stauden angenommen, der Schneebälle und Schneefederfunkien, der Königskerzen und Kaiserkronen, der Kuchenbäume und Kornellkirschen, der Tränenden Herzen und der Tibetorchideen. Man sieht den Wald bald vor lauter Stauden nicht mehr, und das Grün bricht aus den Zweigen, man möchte es allen zeigen. Ute Scheub

Gärtnerhof GmbH, Garten- und Landschaftsbau, Heiligenseestr. 132, Berlin 27, Tel.: 4319090.

Gärtnerhof am Dominikus, Staudengärtnerei, Kurhausstr. 30-34, Berlin 28, Tel.: 4092254, geöffnet mo.-fr. 9-18, sa.; so. 10-16 Uhr.

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