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Ostfahrer ließen alle fünfe gerade sein

■ Spontane Arbeitsniederlegung auf Ost-BVG-Betriebshöfen

Lichtenberg. Keine quietschenden Schienen, keine stinkenden Auspuffgase — der BVG-Betriebsbahnhof Lichtenberg war gestern eine richtige Oase. Vor 71 Straßenbahnzügen und vis-à-vis geparkten Bussen ließen grau uniformierte Fahrerinnen und Fahrer in der Sonne alle fünfe gerade sein, schlürften Kaffee aus Plastikbechern, diskutierten mit Pressevertretern und rauchten eine Zigarette nach der anderen. Genau 24 Stunden, von Montag morgen null Uhr bis Mitternacht, standen hier alle Räder still. »Das ist kein Streik, sondern eine spontane Arbeitsniederlegung«, betonte der Personalratsvertreter der Straßenbahner, Tilo Heldt. »Wir solidarisieren uns mit unseren streikenden Westkollegen und hoffen natürlich, daß die sich auch mit uns solidarisieren werden, wenn die Osttarifverhandlungen beginnen.« Seit dem Auslaufen des Tarifvertrages für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Ostdeutschland zum 30. April gilt dort nicht mehr die Friedenspflicht. Es ist jedoch üblich, daß vor dem Beginn der Tarifverhandlungen nicht gestreikt wird.

Ganz spontan war die Arbeitsniederlegung auf den fünf Ostberliner Straßenbahn- und den zwei Busbahnhöfen allerdings nicht. Bereits in der vergangenen Woche, wurde hinter vorgehaltener Hand erzählt, sei von der ÖTV signalisiert worden, daß eine Solidaritätsaktion stattfinden solle. Viele Fahrer wurden jedoch erst beim gestrigen Dienstbeginn damit konfrontiert, daß keine Tram über die Platte geht, weil die Schlosser die Arbeit niedergelegt hätten. Ähnlich wie bei der Feuerwehr auf den Flughäfen geht auf den Straßenbahnhöfen ohne die Schlosser nichts mehr. Eigentlich haben die Ostler wenig Grund, sich mit den Westkollegen zu solidarisieren, denn sie verdienen weniger als 60 Prozent des Westgehalts. Trotzdem machten in Lichtenberg alle bei der spontanen Arbeitsniederlegung mit. »Natürlich geht es denen drüben besser als uns, aber wenn die 5,4 Prozent mehr Lohn bekommen, partizipieren wir doch auch davon«, erklärte ein Fahrer. Außerdem wolle man »endlich klarmachen, daß wir ein Betrieb sind und gleiches Geld für gleiche Arbeit wollen.« Ob es in dieser Woche zu weiteren Arbeitsniederlegungen bei der BVG in Ost-Berlin kommen wird? »Das hängt davon ab, ob sich bei denen da oben was bewegt«, meinte ein Busfahrer vielsagend. »Wir können doch jetzt noch nicht verraten, wie spontan wir noch sein werden.« plu

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