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Kein Schneegestöber auf dem Bildschirm

■ Einer Horrormeldung der Boulevardpresse zum Trotz: Die Rundfunkversorgung durch die Telekom ist mittels einer Notdienst-Vereinbarung mit der Postgewerkschaft gesichert

Kein Fernsehen mehr in Deutschland, das Pantoffelkino geschlossen — das ganze Volk in eine Sinnkrise gestürzt. Da bahnte sich am Wochenende eine wahre Katastrophe an. Noch dazu „technisch machbar“, weiß Paul Köhler von der Frankfurter Bezirksverwaltung der Postgewerkschaft. Und zwar dann, wenn die Fernmeldetechniker in den Sendeanlagen der Bundespost in den Ausstand treten und damit deren Fernmeldehoheit, geregelt im Fernmeldeanlagengesetz, zum Bumerang wird. Wenn zum Beispiel die Sendemasten nicht gewartet, Schaltfehler nicht behoben werden oder durch falsche Bedienung entstehen, dann gibt es auf dem Bildschirm höchstens noch Schneegestöber zu sehen.

Diese Vorstellung, vermutet Köhler, „löst natürlich Entsetzen aus“. Außer vielleicht bei den Videotheken. Und das wußte wohl auch die 'Bild‘-Zeitung, die in ihrer Sonntagsausgabe den Gewerkschaftsvorsitzenden Kurt van Haaren als den Bürgerschreck zitierte, der den Kindern das Sandmännchen, der Mama die Lindenstraße über Richtfunk und dem Papa gar Tuttifrutti über die Satellitenstrecken entziehen will. Andere Blätter griffen das durchaus Phantasien freisetzende Thema auf. Und deshalb ist die Pressestelle der Hauptverwaltung der Postgewerkschaft sauer auf das Boulevardblatt. Alles unwahr, sagt der stellvertretende Pressesprecher Steinmann. So ein Satz sei in einem Vorgespräch zu dem Interview mal gefallen, aber nie ernsthaft erwogen, autorisiert oder gar so gemeint gewesen: „Hier bei uns im Haus wäre nie jemand überhaupt auf so eine Idee gekommen.“ Das Fernsehen zu bestreiken, das sei einfach „absoluter Schwachsinn“. Die Gewerkschaft habe schon von Anfang an nicht vorgehabt, die Fernmeldetechniker einzubeziehen. Die Menschen hätten schließlich ein Recht auf Information: „Wir streiken verantwortungsbewußt!“ Außerdem seien sie selbst schließlich auf die Medien und deren Berichterstattung über den Streik angewiesen.

Beim Arbeitgeber, bei der Telekom, sieht Pressesprecher Lothar Schilling das ganz ähnlich: „Die Rundfunkversorgung muß, auch für den Katastrophenfall, gesichert bleiben.“ So stehe es auch in den Notdienst-Vereinbarungen mit der Postgewerkschaft. Daß das auf einmal anders sein solle, das „können wir uns nicht vorstellen“. Vorsichtshalber hat er sich jedoch gewappnet: „Wir werden uns schon zu helfen wissen“, notfalls mit „beamteten Kräften“. Das wird, versicherten die Gewerkschafter gestern gegenüber der taz, nicht notwendig sein. Die Glotze bleibt an.

Die schreibende Zunft könnte für die nächste Katastrophenmeldung jetzt nur noch auf die IG Medien hoffen, denn deren Techniker sitzen auch im ARD-Schaltstern in Frankfurt am Main, der das Abendprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender aus den Funkhäusern der Bundesländer zusammenschaltet. Heide Platen

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