: Ire zeigt Ex-Freundin an: Sie will abtreiben
Dublin (taz) — Irland hat einen neuen Abtreibungsfall. Am Samstag zeigte ein etwa 25jähriger Mann auf einem Dubliner Polizeirevier seine ehemalige Freundin an, weil sie in England eine Abtreibung vornehmen lassen will. Der aus dem nordirischen Derry stammende Mann sagte, er wolle alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um den Schwangerschaftsabbruch zu vereiteln. Es ist bisher nicht bekannt, ob er bereits eine Zivilklage eingereicht hat, um die Ausreise der Schwangeren durch eine einstweilige Verfügung zu verhindern. Die Polizei gab nur bekannt, sie habe der Staatsanwaltschaft einen Bericht übergeben.
Die Anzeige kommt der irischen Regierung höchst ungelegen. Erst im Februar hatte der Fall einer vierzehnjährigen, die nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war, die erledigt geglaubte Abtreibungsdebatte neu entfacht. Damals erwirkte Generalstaatsanwalt Harry Whelehan ein Ausreiseverbot gegen das Mädchen, das jedoch wegen der Selbstmordgefahr vom höchsten Gericht aufgehoben wurde. Whelehan sagte, er sei verfassungsrechtlich zum Eingreifen gezwungen gewesen. Da die Verfassung seitdem unverändert ist, müßte er auch jetzt aktiv werden.
Allerdings hat sich die politische Situation inzwischen geändert. Die Dubliner Regierung befürchtet, daß die Abtreibungsdebatte das EG-Abkommen von Maastricht zu Fall bringen könnte, das am 18. Juni per Volksentscheid ratifiziert werden soll. Irland hat nämlich in einem Zusatzprotokoll zum Abkommen den irischen Abtreibungsparagraphen festschreiben lassen. Laut Interpretation des höchsten Gerichts enthält dieser Paragraph ein mögliches Ausreiseverbot für schwangere Frauen, wenn der Verdacht besteht, daß sie im Ausland eine Abtreibung vornehmen lassen wollen. Die Regierung verweigerte gestern jede Stellungnahme. Es sickerte durch, daß man ein Eingreifen des Staatsanwalts für unnötig hält. Eine Zivilklage mit dem Ziel eines Ausreiseverbots kann sie jedoch nicht verhindern.
„Die Folgen wären schwerwiegend, sollte in diesem Fall ein Ausreiseverbot verhängt werden“, sagte der Vorsitzende der Demokratischen Linken, Proinsias De Rossa. „Das würde Tür und Tor für endlose Aktionen Dritter gegen schwangere Frauen öffnen.“ Ein Sprecher der Labour Party sagte: „Diese Geschichte verleiht dem Gesetz, das Frauen Reisefreiheit und Zugang zu Informationen über Abtreibung garantieren soll, neue Dringlichkeit.“ Dieses Gesetz soll jedoch erst im November durch Volksentscheid verabschiedet werden. Ralf Sotscheck
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