Verfassungsbedenken gegen Zinssteuer

■ Gesetzentwurf soll der von den Karlsruher Richtern geforderten gerechten Besteuerung nicht nachkommen

Bonn (dpa/taz) — Namhafte Verfassungsrechtler haben gestern in der Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von der Koalition geplante neue Zinsbesteuerung bekräftigt. In der jetzigen Form entspreche der Gesetzentwurf in keiner Weise der Vorgabe des Verfassungsgerichts, erklärten übereinstimmend der Mannheimer Verfassungsrechtler Hans-Wolfgang Arndt und Dieter Birk von der Universität Münster.

Das Kabinett hatte im Dezember einen Gesetzentwurf präsentiert, nach dem Zinseinkünfte oberhalb verzehnfachter Sparerfreibeträge von 6.000 Mark für Ledige und 12.000 Mark für Verheiratete mit einem 25prozentigen Zinsabschlag belegt werden. Der Abschlag soll ab 1993 anonym von den Banken an die Finanzämter abgeführt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor die Bundesregierung in die Pflich genommen, eine Neufassung der Zinsbesteuerung vorzulegen. Die Einnahmen des Fiskus aus der neuen Zinssteuer werden auf zehn Milliarden Mark geschätzt.

Unter Hinweis auf die Forderung des Verfassungsgerichts, für eine gerechtere Besteuerung der Zinseinkünfte zu sorgen, sagte Birk: „Wenn wir das Urteil ernst nehmen, wird das vorgelegte Gesetz keinen Bestand haben.“ Der Regierungsentwurf, so die Verfassungsexperten, halte an der jetzigen Praxis der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit zwar fest. Er stelle aber nicht sicher, daß Anleger mit einem höheren persönlichen Steuersatz als 25 Prozent größere Zinseinkünfte auch tatsächlich gegenüber den Finanzämtern anmelde. Es gehe nicht um flächendeckende Kontrollen der Finanzämter, sondern darum, ob das jetzige Bankgeheimnis nicht die Steuerhinterziehung decke. Als Alternativen nannten die Professoren die Einführung einer sogenannten Abgeltungssteuer, die dann endgültig wäre und nicht, wie die jetzige Regelung, in die Besteuerung der Gesamteinkünfte einginge.

Verfassungsrechtliche Bedenken äußerten übereinstimmend auch die führenden Konjunkturforschungsinstitute. Sie wiesen teilweise die Behauptung der Koalition zurück, im Falle schärferer Überwachung der Zinsbesteuerung werde es wie bei der wieder abgeschafften Quellensteuer von 1989 zur Kapitalflucht ins Ausland kommen. Kapitalabflüsse wären volkswirtschaftlich im übrigen nicht schädlich, weil sich Investoren auf dem internationalen Kapitalmarkt das Geld wieder ausleihen könnten. Dem widersprach Bundesbank-Direktoriumsmitglied Otmar Issing und äußerte Befürchtungen über die dadurch bedingten „erhebliche Zins- und Wechselkursreaktionen“. Die Banken stellten gestern noch einmal klar, daß sie den Entwurf trotz einiger Mängel mittragen wollen. es