MIT POLENS FINANZMINISTERN AUF DU UND DU
: Der zweite tritt zurück

Andrzej Olechowski mit Sparprogramm gescheitert  ■ Aus Warschau K. Bachmann

Polens Finanzminister Andrzej Olechowski hat seinen Rücktritt erklärt. Im Anschluß an die Abstimmung des polnischen Parlaments über Mehrausgaben im Haushalt für das laufende Jahr verkündete Olechowski vor der Presse, er sehe keine Möglichkeit, die beschlossenen Mehrausgaben von über 20 Billionen Zloty (ca. 1,5 Milliarden Dollar) zu finanzieren.

Mit Andrzej Olechowski, einem international erfahrenen und anerkannten Wirtschaftsexperten, der noch dazu den Vorteil hat, über den parteipolitischen Intrigen zu stehen, die zur Zeit in Warschau so eifrig gesponnen werden, hat die Regierung Olszewski in fünf Monaten bereits den zweiten Finanzminister verschlissen.

Der Rücktritt hat eine Vorgeschichte: Bereits vor Monaten hatte der polnische Verfassungsgerichtshof Einsparungen bei den Renten und der staatlichen Sozialversicherungen für verfassungswidrig erklärt. Nach der derzeitigen polnischen Verfassung kann das Parlament den Richterspruch, der 60 Billionen Zloty (4,5 Mrd. Dollar) gekostet hätte, mit einer Zweidrittelmehrheit zurückweisen. In der entscheidenden Abstimmung am Mittwoch fand sich nur für die Ablehnung von acht der zwölf vom Gericht beanstandeten Punkte die erforderliche Mehrheit. Nach Olechowskis Schätzung werden demnach die Mehrausgaben 20 bis 30 Billionen Zloty betragen.

„Fragen Sie die Abgeordneten der Polnischen Bauernpartei, der Konföderation Unabhängiges Polen und des Bündnisses der Demokratischen Linken, wie sie das finanzieren wollen“, meinte der Minister im Anschluß an die Abstimmung zu Journalisten.

Allerdings war es nur vordergründig das Parlament, das Olechowski zum Rücktritt zwang. Besonders Premier Olszewski hatte in den Wochen zuvor nahezu alles getan, eine Parlamentsmehrheit für seinen Haushalt zu verhindern.

Angetreten war die Regierung mit einem inflationären und in sich widersprüchlichen Wirtschaftsprogramm, das auf der Stelle Olechowskis Vorgänger Lutkowski vergraulte. Dann ließ Olszewski seinen neuen Finanzminister einen Haushalt erarbeiten, der im krassen Gegensatz zu eben jenem Programm stand: weniger Inflation, strikter Sparkurs, Begrenzung des Defizits. Als sich abzeichnete, daß selbst die in der Regierung vertretenen Parteien zu diesem Kurs auf Distanz gingen, versuchte Olszewski, eine breitere Koalition zu formieren. Das scheiterte daran, daß er den potentiellen Partnern nur zweitrangige Kabinettsposten zugestehen mochte.

In den genau fünf Monaten seiner Amtszeit war Premier Olszewski mit der Mehrzahl seiner Minister hauptsächlich damit beschäftigt, sich im Amt zu halten. Einer der wenigen Minister, die sich vorrangig um Sachfragen kümmerten und dem es dabei auch noch gelang, nicht sofort Öffentlichkeit, potentielle Partner, Presse, Präsident oder andere Ministerkollegen vor den Kopf zu stoßen, war Andrzej Olechowski. Sein Rücktritt und der Beschluß über Mehrausgaben kommen zu einer Zeit, da Polen gerade die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wiederaufgenommen hat. Der IWF verlangt, daß Polens Haushalt im laufenden Jahr kein größeres Defizit als fünf Prozent des Bruttonationalprodukts enthält. Mit dem jüngsten Beschluß dürfte sich diese Vorgabe allerdings kaum halten lassen, so daß Polens Regierung erneut mit einer Suspendierung der IWF- und Weltbankkredite rechnen muß.