Viele Hilfsgelder in den Sand gesetzt

Ost-West-Wirtschaftsgipfel der G-7-Staaten und der Reformstaaten in Münster eröffnet  ■ Aus Münster Donata Riedel

Schlicht „in den Sand gesetzt“ hätten die westlichen Industriestaaten ihr Geld für die Rüstungskonversion in Rußland. Das jedenfalls sagte Alexander Schulunow, Präsident der Industrievereinigung für militärische Produktion in Rußland, gestern auf dem Ost-West-Gipfel in Münster. Sehr offen diskutierten auf Einladung von Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) die Minister für Wirtschaft, Industrie und Handel aus den sieben reichsten Industriestaaten (G-7) und den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas mit hochrangigen Unternehmensvertretern über sinnvolle und unsinnige Hilfszahlungen an die ehemaligen Ostblockstaaten.

Der tschechoslowakische Wirtschaftsminister Vladimir Dlouhj hält direkte Subventionen an Rüstungsbetriebe zur Umstellung auf eine zivile Produktion ebenfalls für „Geldverschwendung“. Er habe kürzlich den ersten Bulldozer aus einer ehemaligen Panzerschmiede besichtigt. „Er war wirklich riesig, aber auf dem Markt absolut nicht zu verkaufen“, berichtete er.

Dlouhj forderte von den westlichen Industriestaaten, zu akzeptieren, daß die CSFR weiterhin ihre Devisen mit Waffenexporten beschaffen müsse. Andernfalls sollte man die Rüstungsschmieden bankrott gehen lassen und in den betroffenen Regionen Aufbauhilfe für neue Industrien zahlen.

Erstmals seit Regierungsvertreter der G-7-Staaten über die Integration der Sowjetunion in die internationale Marktwirtschaft beraten, geht es auf dem Gipfel an diesem Wochenende nicht um die Höhe von Hilfszahlungen, sondern um den Einsatz des Geldes. Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns ABB, von Körber, forderte von den osteuropäischen Regierungen, Prioritäten zu setzen: Soll zuerst in den Straßenbau oder in die Energieversorgung investiert werden, und wenn letzteres, in welchen Energieträger? Die G-7-Regierungschefs, für deren Treffen im Juli in München dieser Gipfel als Vorbereitungstreffen dient, sollten sich vorrangig mit der Lage der Bevölkerung in den Reformstaaten beschäftigen. „Privatisierung hat überhaupt keinen Sinn, solange die Menschen Marktwirtschaft mit Arbeitslosigkeit und Chaos gleichsetzen“, meinte der Unternehmer.

Unternehmervertreter aus Osteuropa pflichteten dem bei. Eine Schocktherapie für den Übergang sei nicht zu empfehlen, meinte ein Vertreter des ungarischen Unternehmerverbandes. Die Säule der Marktwirtschaft seien kleine und mittlere Unternehmer. In den Reformländern müßten diese aber erst geschult werden. Aus- und Weiterbildung in Marktwirtschaft auf allen Ebenen hielten alle Teilnehmer am Runden Tisch des gelernten Lehrers Möllemann für vordringlich. Demgegenüber bestand der Leiter der Osteuropabank, Jacques Attali, auf weiterer Beschleunigung des Privatisierungsprozesses. Wenn das Tempo des Umbaus in den GUS-Staaten so langsam bleibe, werde der Umbau mindestens zwei Jahrzehnte dauern, prophezeite er.