: Im Osten zurück an den Herd
■ Symposium zur Frage »Dequalifizierung von Ost-Frauen«/ Keine Frauen mehr in Leitungspositionen
Mitte. Ist Dequalifizierung von Ost- Frauen Realität oder ein Hirngespinst, fragten sich rund hundert Frauen und vier Männer am vergangenen Samstag auf einem Symposium in der Humboldt-Universität. Auf der von »Bündnis 90/Grüne (AL)«, dem »Unabhängigen Frauenverband« und der »Arbeitsgruppe Frauen und Arbeitsmarkt« organisierten Veranstaltung war die Frage schnell beantwortet: Die Dequalifizierung findet bereits statt. Immer mehr Frauen mit einer höherqualifizierenden Ausbildung üben Tätigkeiten aus, die nicht ihrem ursprünglichen Ausbildungsstand entsprechen. In weitaus stärkerem Maße als Männer werden Frauen inzwischen vom Arbeitsmarkt verdrängt, womit sich der Osten langsam dem Westniveau nähert.
Betroffen ist vor allem der Dienstleistungssektor, in dem vorrangig Frauen arbeiten, berichtete die erste Referentin Gerda Jasper aus der Frauengruppe »a & o«. Allgemein sinke der Frauenanteil im Osten in allen Bereichen um 20 bis 30 Prozent. Besonders schockierend sei, daß Frauen aus Leitungspositionen hochqualifizierter Angestellter bis April 1991 gänzlich verschwunden seien. Warum lassen Frauen sich dequalifizieren? fragte Anneliese Braun vom Arbeitslosenverband. Die einen wollten keine Fortbildung, andere endlich einen ungeliebten Beruf an den Nagel hängen. Manche Frauen würden auch die Gefahr der Dequalifizierung nicht erkennen. Eine Umfrage des Arbeitslosenverbandes unter 830 Frauen habe ergeben, daß viele die Umschulung nur als eine Etappe zur Arbeitslosigkeit sähen.
Birgit Wehlisch, Vertreterin von KOBRA, konnte bei Beratungsgesprächen beobachten, daß viele Frauen wenig über den Unterschied zwischen Umschulung und Fortbildung wüßten. Außerdem ließe die Qualität solcher Maßnahmen teilweise zu wünschen übrig. »Denn was bringt es, wenn eine Sekretärin mit Berufserfahrung nochmals Steno und Schreibmaschine lernt, die Vermittlung über Computerkenntnisse jedoch zu kurz kommt?«
Vor der abschließenden Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen der Senatsverwaltung und des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg stellte Moderatorin Sybill Klotz die Ergebnisse der vorangegangenen vier Arbeitsgruppen vor. Sie forderte ein Strukturentwicklungskonzept, in dem speziell Frauenarbeitsplätze und Frauenprojekte gefördert werden sollen. Die DDR-Abschlüsse müßten anerkannt werden. Bei Investorenentscheidungen in Berlin sollte auch immer eine Frauenvertreterin zugegen sein. Wolf Schulgen, Leiter des Grundsatzreferats in der Senatsverwaltung für Wirtschaft und einziger Mann auf dem Podium, wollte sich dazu nicht festlegen lassen: »Ich kann den Investoren nicht vorschreiben, Frauen bevorzugt einzustellen.«
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hätten zur Zeit nur Brückenfunktion, meinte Helga Korthaase, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen. »Arbeit ist da, sie muß nur umverteilt werden.« Susanne Landwehr
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