'taz‘ nicht schwanz-o-phil

Am vergangenen Freitag stand früh morgens ein Mann vor der Zentrale der 'taz‘ und verteilte Werbebroschüren des Berliner Fahrradladens „velophil“ — aus Protest. Denn die Prospekte hätten eigentlich bereits eine Woche zuvor der Berliner Ausgabe der 'taz‘ beigelegt werden sollen — doch die Geschäfts- und Redaktionsleitung hatte sich im letzten Augenblick dagegen entschieden. Zwischen zwei rein typographischen Deckblättern enthält die Broschüre auf neun Doppelseiten neun Fotos von namenlosen nackten Männern, Blick auf den Unterleib, Penis im Mittelpunkt. In roter Schrift gibt jede Doppelseite einen fiktiven Dialog wieder. Zum Beispiel: „Meine Frau behauptet, sie verdient weniger als ihr Kollege.“ — „Ich dagegen finde, das ist alles eine Frage des Gefühls.“ Das bemüht dümmliche Motto des Fahrradladens: „Einstellung ist keine Frage“. Mit der paradoxen Kampagne wendet sich der Laden an weibliche Kundschaft, wörtlich an „Liebe Frauen,...“. Auch das Berliner Kleinanzeigenblatt 'Zweite Hand‘, dem die Broschüre am vergangenen Wochenende beigelegt werden sollte, lehnte ab. Geschäftsführer Horst Borrmann: „Das ist verquaste Sozialkritik.“ Trotz interner Diskussionen über „Sexismus“ und „Sprüche auf Stammtischniveau“ hatten Geschäftsführung und Chefredaktion der 'taz‘ „moralisch keine Probleme“ mit der Broschüre — waren aber der Meinung, daß die bloßen Frechheiten den LeserInnen nicht zuzumuten wären. Das Reklamekonzept von „velophil“ ist Imagewerbung im allerneuesten Sinn. Das Produkt tritt zurück, und ein kontroverses gesellschaftliches Thema wird ins Bild gerückt. Während die softe Weltverbesserer-Kampagne von „Esprit“ auf keinerlei Widerstand stieß, hatte sich „Benetton“ im April den Einsatz harter Reportagefotografien vom Landgericht Frankfurt verbieten lassen müssen. Die Agentur von „velophil“, bin?!der und partnerinnen, versucht offensichtlich, an die Erfolge und Mißerfolge von „Benetton“ anzuschließen. Wir meinen: Die Objekte sind gut gewählt — die Texte sind noch etwas schlaff. kotte/uez