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Auf dem magischen Holzweg

■ Violeta Dinescus dritte Oper „Eréndira“ auf der Münchner Biennale uraufgeführt

Die angesehene Komponistin Violeta Dinescu kann auf zwei Opern, fünfzig Kammermusikwerke und vierzig internationale Auszeichnungen verweisen, auf einen Lehrauftrag an der Kirchenmusikschule Bayreuth und eine Künstlerwohnung der Stadt Baden- Baden. Bei der Münchner Biennale kommen also neben Nachwuchskomponisten auch erfolgreiche Komponistinnen zu Wort.

Dinescus dritte Oper nun erzählt die schaurig schäbige Geschichte von der bösen Großmutter und der unschuldigen Enkelin. Die muß den ganzen Tag für die Alte schuften und dann auch noch auf den Strich gehen. Nachdem Eréndira die Oma gebadet und gebürstet hat, „führte sie sie in einen künstlichen Garten mit Blumen, ebenso atemberaubend wie die ihres Kleides (...) und ließ sie auf dem Trichtergrammophon vergängliche Schallplattenmusik hören“. Spätestens an dieser Stelle muß es bei der Komponistin gefunkt haben — doch schrieb sie keineswegs „Schallplattenmusik“. Eher atemraubende. Bis in die letzte Achtelpause ist alles ausgetüftelt, wie die gezielten Einsätze der Gitarre belegen. Geschickt sind sie am Ende mit Schellen und Flötenklängen kombiniert, als der liebende Jüngling (Roman Trekel, Baßbariton) in der Badewanne gefangen ist und Eréndira an der Treppe scheitert. Beide strampeln eifrig und kommen doch nicht vom Fleck.

Der Regisseur Beat Fäh hat sich mit dem Libretto von Monika Rothmaier große Mühe gegeben. Vielleicht nahm er eine Äußerung der Librettistin allzu ernst: „Alle Personen der Erzählung umgibt ein Geheimnis, und nie erfahren wir wirklich, was sie denken oder fühlen.“ Was als literarisches Stilmittel recht sein kann, wirkt hier auf der Bühne billig. Im Bemühen um stilisierte Gesten, um rührende Metaphern des Ausdrucks, überschreitet Beat Fäh kühn die Grenze der Peinlichkeit. Kreisende Hände bestimmen den Abend, und erstarrte Gesichter. Eine Handlung wird nicht entwickelt, statt dessen werden wirr umspringende Inhalte präsentiert. Die Musik hilft da leider auch nicht weiter. Auch sie begnügt sich mit zwei, drei in sich spannungslosen Einfällen, die ständig wiederholt werden. Aufsteigende Glissandi der Sängerinnen, abgebrochene Streichermelodien, beliebige Bläserschnörkel, die isoliert in der Luft hängen. Catriona Smith als Eréndira und Catherine Gayer als Großmutter wollten jeden Oktavschleifer als musikalischen Höhepunkt verkaufen, was er natürlich nicht sein kann. Im Gegenteil. Die Frustration ist vorprogrammiert. Denn so ein Glissando weckt Erwartung, ist spannend. Wenn aber am Ende nur der Basiston wiederholt wird, dann war es vergebliche Müh'.

In der Partitur waren diese musikalischen Mogelpackungen aufgehäuft zum abendfüllenden Geplänkel, vorgetragen vom Staatsorchester Stuttgart unter Bernhard Kontarsky, der die Musiker mit weichen Kreisbewegungen hypnotisierte.

Die Erzählung von Maŕquez hat die Komponistin spontan gefesselt und ihr „Wege in eine Welt der Magie“ geöffnet. Ihre Musik tippelt nun konsequent auf diesem magischen Holzweg emsiger Kreativität. „Der Klangraum meiner Musik verändert sich ständig — wie Treibsand. Man kann in ihm versinken, wenn man nicht schnell genug ist“, warnte die Komponistin. Doch niemand aus dem Publikum stürzte zum Notausgang, alle versanken mit Anstand in den Theaterstühlen. Helmut Mauró

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