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Keine Kochtöpfe zu Stahlhelmen

■ Armee-Minister Volker Rühe sabberte beim Bezirkswahlkampf »den Mädels« aus der CDU-Frauen-Union allerlei schlüpfriges Geschwätz in die demütigen Hirne

Wedding. Zwischen Stadtautobahn und Krankenhaus liegt im Norden die Gaststätte »Joe am Wedding«, ein Ort der Einkehr für den berufsberlinerischen Mittelstand jenseits der Dreißig. »Zwischen Kochtopf und Stahlhelm« hieß die Veranstaltung der CDU-Frauen-Union, mit welcher der neue Verteidigungsminister Volker Rühe dort am Montag abend Bezirkswahlkampf für seine Partei machte. Da hatte er in München schon die Verabschiedung von 140 Sanitätssoldaten Richtung Kambodscha hinter sich, die dort UNO- Blauhelme verarzten sollen. Auch der Antrittsbesuch beim Heer im brandenburgischen Beelitz war schon abgehakt.

Bei »den Mädels«, von denen der Minister auf dem Weg von der Limousine in das Lokal faselt, soll es lockerer zugehen. Weshalb er die Frauen auch erst mal zwanzig Minuten warten läßt und sich mit ein paar Parteimannen zu einem kleinen Imbiß jenseits der Gulaschkanonen zurückzieht.

Dann beginnt die klassische CDU-Frauenveranstaltung doch noch. Rühe tritt an das Bar-Tischchen in Form eines großen Bierfasses. Unter tosendem Applaus ergreift nicht etwa eine der Frauen im Saal das Wort — weder aus der Weißhaar-Dauerwellen- noch aus der Solarium-Kyrie-Minogue-Fraktion —, nein, erst mal kommt der Rhetorikschleim der Anzugträger. Stolzschwallend legt der propere Bundestagsabgeordnete und Bezirksparteichef Dr. Neuling los und begrüßt den Minister und den Bezirksbürgermeisterkandidaten und die Mitglieder des Abgeordnetenhauses und andersherum und hin und her. Der Kandidat fordert, »die rot-grüne Mehrheit im Wedding zu brechen«, und kann auch den achteinhalb Stunden langen Autostau erwähnen, aus dem heraus er es noch heldenhaft, verschwitzt und pünktlich hierher geschafft hat. »Jetzt darfst du die Moderation weiterführen«, sagt Dr. Neuling dann endlich zu Helga Delau von der Frauen-Union.

Auch die begrüßt noch mal alle rundum und meint: »Wenn ich jemand vergessen habe, dann müssen Sie mich irgendwo zuppeln.« Das verstehen die 50 Prozent CDU-Mannen im Saal richtig und johlen verhalten ins Schultheiss. Allerheftigst dankt Delau dem Ex-Parteigeneral und jetzigen Verteidigungsminister, »daß er sein Versprechen zu kommen eingehalten hat«. Der Mann von der Hardthöhe betont, daß er einer ist, der seine Versprechen »immer einhält, besonders Frauen gegenüber«. Er habe gar nicht anders gekonnt, schließlich habe ihn die Frau Delau »bei einer Party anläßlich der Funkausstellung im letzten Jahr abgeschleppt« und zum Wahlkampfbesuch überredet. Anerkennendes HoHoHo für das elegante Wortspiel. Der Minister spricht sich auf eine der wenigen Fragen, die die CDU- Frauen stellen, gegen »Frauen in Kampfeinheiten« aus.

Meist reden aber die christlichen Kerle, quengeln, daß die Bundeswehr doch mehr für die Berliner Wirtschaft tun möge, weil die Alliierten abziehen. Unterbrochen werden die Herren nur von den spitzen Nachfragen der anwesenden Antimilitaristinnen von der »AG Frauen« der »Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär«. Sie wollen vom Minister wissen, warum Frauen kein Recht haben, ihren Zwangsdienst im Verteidigungsfall zu verweigern. Rühe antwortet nicht konkret. Eine der CDU-Frauen kommt wieder zurück zur Frage, warum Frauen beim Bund nicht für den Kampf ausgebildet würden, wo sie doch angesichts der Gewalt in unseren Städten ohnehin Selbstverteidigung lernen müßten. Nein, er sei entschieden gegen eine allgemeine Wehrdienstpflicht für Frauen, so der Minister stur, denn diese müßten »im Leben Einsätze bringen, die Männer nicht bringen können«. Wegen der abgegriffenen Begründung schiebt Rühe schnell hinterher, daß er gegen »noch mehr Frauen als »Ärzte und Sanitätssoldatinnen« dagegen nichts habe. Dann ein kurzer Schwank über die Verabschiedung seiner Jungs nach Kambodscha. Da sei auch eine Ärztin dabei gewesen, und er verlasse sich völlig darauf, daß diese »von den Männern gut beschützt wird«.

Am Ende hat Rühe sich für Blauhelm-Einsätze, für ein neues Jagdflugzeug sowie gegen die Berufsarmee und gegen eine »allgemeine Dienstpflicht« ausgesprochen. Die üblichen Standpunkte zu den üblichen Themen. Helga Delau schließt mit der Hoffnung, daß sie sich mit dem Minister »später noch mal unterhalten« werde. Die letzte schlüpfrige Bemerkung dieses Abends. Hans-Hermann Kotte

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