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Als der Mohr uns die Banane brachte...

■ »Werbefiguren — Geschöpfe der Warenwelt« im Foyer des Axel-Springer-Hauses

Sie sind überall, keiner kann ihnen entkommen. Sie drängen sich in unsere Wohnstuben und Schlafzimmer, sie glotzen von Plakatwänden und Litfaßsäulen herab, unterbrechen Liebesdramen und Fußballspiele, drängen sich zwischen Wetterbericht und Lottozahlen, stehen auf Bergen und an Landstraßen, kleben an Schiffen, Autos und Flugzeugen. Sie grinsen meistens und schlafen nie, sie tauchen in unseren Alpträumen auf, sind frisch, munter, wohlgelaunt, lassen uns nie in Ruhe, geben nie auf, bis sie uns haben. Erst wenn wir unsere Finger in eine grüne, zäh-klebrige Flüssigkeit tauchen, läßt Tilly uns in Ruhe, erst wenn 15 Versicherungspolicen der Hamburg-Mannheimer in unseren Nachtkonsolen liegen, verschwindet Herr Kaiser, erst wenn Jacobs Kaffee Löcher in unsere Magenwände frißt, hat Karin Sommer Erbarmen. Werbung ist überall, und damit auch die Werbefiguren, die oft populärer sind als Politiker oder Popstars.

Im Foyer des Axel-Springer-Hau

ses hat das Deutsche Werbemuseum eine Ausstellung organisiert, die mit Plakaten, Plastiken und Videos die Entwicklung der amerikanischen und europäischen Werbestrategien dokumentiert. Die älteste Werbefigur der Ausstellung ist ein fröhlich dahinschreitender Mann, rot befrackt, einen gelben Zylinder keck in die Stirn geschoben: Johnnie Walker, den man gern auf eine Partie oder in einen Pub begleitet. Der Karikaturist Tom Brown bekam um 1820 den Auftrag, für die »John Walkers Lebensmittel-, Wein-, Spirituosen- und Tuchhandlung« aus Kilmarnock bei Glasgow eine Figur zu zeichnen, die zum zügellosen Verzehr eines Special Blend Whiskys verführt. Brown klang ein schottischer Kneipen- und Studentenschlager in den Ohren: »When Johnny comes marching home again« heißt es da, begleitet von vielen »Cheers!« und »Hurrahs!« der besoffenen Kneipengäste. Der Zeichner nahm den Familiennamen der Walkers für seine Figur und verpaßte ihr das Image eines freundlich grüßenden, aber nicht aufdringlichen Genießers, der dem Kunden sagt: »Du muß ja nicht mitkommen, aber wenn du zu Hause bleibst, wirst du einiges verpassen!«

Cartoons und Comic strips waren lange Zeit auch in Deutschland bevorzugte Werbeträger. Besonders bekannt und beliebt wurde das HB- Männchen, ein sympathischer Antiheld, der von 1956 bis in die 80er Jahre sein Unwesen trieb. In der Wirtschaftswunderzeit wurde der ewige Verlierer eine psychologische Stütze auch für viele Nichtraucher, die in dem nervös herumwuselnden Männchen einen Leidensgenossen im alltäglichen Chaos sahen. »Wer wird denn gleich in die Luft gehen...« ist heute noch ein Slogan, der mit einer HB-Zigarette assoziiert wird, denn »dann geht alles wie von selbst«.

Werbung ist allerdings keine Erfindung des Industriezeitalter. Bereits vor 5.000 Jahren wurden von den Sumerern Handelsgüter mit Tonplomben versiegelt, um ihre Markenartikel von denen der Konkurrenz abzuheben. Die Marketingstrategie ist bis heute die gleiche geblieben: Symbole sollen dem Kunden signalisieren, daß er sich beim Kauf des Produkts auf einen gleichbleibenden Qualitätsstandard verlassen kann. Bei der Auswahl der Archetypen wird darauf geachtet, daß die Symbole mit den Vorstellungen des Kunden von den Produkteigenschaften harmonieren: einem dicken Mönch nimmt man eher ab, etwas von gutem Wein und Käse zu verstehen, als einem hageren Apotheker. Der Zeitgeist spielt bei den Werbestrategien eine große Rolle; galt es zur Jahrhundertwende noch als schick, mit einem Mohren für Putzmittel zu werben, da das Waschen und Putzen mit harter Arbeit verbunden war, die nach Möglichkeit von Hausangestellten verrichtet wurde, stopft in den Achtzigern eine burschikose Klementine die Wäsche einer Nachbarin in einen Waschautomaten — Ariel dazu, den Rest besorgt die Technik. Einige erfolgreiche Werbefiguren entstanden rein zufällig. Als Richard Joshua Reynolds 1913 nach einem Symbol für seine neue Zigarettenmarke suchte, dachte er zuerst an ein Kamel, da seine Zigarettenmischung aus amerikanischen und türkischen Tabaken bestand. Reynolds besuchte einen Zirkus, der in seiner Heimatstadt gastierte — doch der hatte keine Kamele, sondern Dromedare. Seitdem wirbt ein Dromedar für Camel- Zigaretten.

Neue Werbestrategien verzichten darauf, einen Zusammenhang zwischen Produkt und Werbefigur herzustellen. Benetton wirbt mit Friedhöfen und erschossenen Mafiosi für Baumwollprodukte, Steffi Graf hängt sich Nudeln an die Ohren, und Jade fordert den Konsumenten sogar auf, keine Werbung anzuschauen und sich statt dessen dem Liebesspiel hinzugeben. Das macht

man

doch

gerne.

Immer? Nein, nicht immer. Aber immer öfter. Werner

Werbefiguren — Geschöpfe der Warenwelt, Foyer des Axel-Springer-Hauses, Kochstraße 50, Ausstellung bis zum 8. Juni, Mo.-Sa. 11-18, So. 12-17 Uhr.

Literatur: Werbefiguren — Geschöpfe der Werbewelt , Bildband, 212 S., Bestellung: Deutsches Werbemuseum e.V., Kennedyallee 111, 6000 Frankfurt/M 70, DM 69.

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