piwik no script img

Kabale und Seitenhiebe bei der Polizei

■ Ganz Berlin nimmt Anteil an den Zankereien zwischen Polizeipräsident Georg Schertz und Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus/ Hinter den jahrelangen Auseinandersetzungen in der Polizeiführung stecken handfeste Parteiinteressen

Berlin. Für den sicherheitspolitischen Sprecher der CDU, Dieter Hapel, ist der Fall klar: »Die mögen sich einfach nicht.« Dieser Eindruck drängt sich auf, auch wenn beide Seiten immer wieder beteuern, daß es ihnen gar nicht darum ginge, persönlich zu streiten. An der Beziehungskiste von Polizeipräsident Georg Schertz und Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus nimmt mittlerweile ganz Berlin Anteil.

Letzte Woche konnte es der jüngsten Episode des bereits Jahre währenden Dauerclinches beiwohnen. Kittlaus bezichtigte seinen Dienstherrn per Illustrierteninterview der Führungsschwäche und der Verharmlosung von Gewalt. Schlimmeres kann man sich in Polizeikreisen wohl kaum an den Kopf werfen. Der Präsident ließ denn auch pikiert erklären, daß er sich »auf dieser Ebene nicht mehr äußert«. Es dürfte nicht der letzte Akt dieses an Kabalen so reichen Stückes sein, denn die Dramaturgie wird in den Parteizentralen von CDU und SPD verfaßt. Obwohl beide Parteien in einer Großen Koalition vereint sind, konnten sie sich bislang noch nicht auf den Fortgang der Geschichte einigen.

Führungsposten in der Polizei, so erklärt der sicherheitspolitische Sprecher der FDP, Lange, das Prinzip des Konfliktes, werden als parteipolitische Beute behandelt: die jeweils regierende Partei bestimmt die Spitze; ist der Oberste ein Sozi, wird sein Vize ein Christ. Entsprechend diesem Grundsatz handelte die CDU, als sie 1987 nach fast durchgängig 40jähriger SPD-Regentschaft mit Georg Schertz einen Mann ihrer Wahl an die Spitze des Polizeipräsidiums stellte. Zugleich suchten der damalige Innensenator Wilhelm Kewenig und sein Staatssekretär Müllenbrock intensiven Kontakt zu Manfred Kittlaus, schon damals Stabschef und damit dritter Mann am Tempelhofer Damm. Kittlaus hatte sich bereits in den Jahren zuvor als Staatsschutzchef und Leiter der Kripo seine Meriten verdient und galt Anfang der Achtziger als Prototyp des modernen Polizeibeamten. Seinen Einbruch erlebte der agile Beamte jedoch, als er 1987 als frisch gekürter Landespolizeidirektor die Verantwortung für die Randale am 1.Mai mitübernehmen mußte.

In der Folgezeit profilierte er sich als Hardliner, gründete die berüchtigte EbLT und sprach sich in Bundestagsanhörungen für das Vermummungsverbot aus. In dem Maße, wie er solchermaßen die Sympathien seines CDU-Innensenators gewann, verscherzte er es sich mit seinen Parteifreunden von der SPD, vor allem mit deren damaligem innenpolitischem Sprecher Erich Pätzold. Denn dieser mauserte sich gerade zu einem der schärfsten Kritiker der Kewenigschen Law-and-order- Politik. Als Pätzold 1989 Innensenator der rot-grünen Koalition wurde, schien Kittlausens Stündlein geschlagen zu haben. Den Anlaß zum Konflikt boten wiederum die Geschehnisse am 1. Mai. An diesem Tag sollte die Polizei dem Pätzoldschen Grundsatz der Deeskalation folgen. Der Einsatz geriet zum Desaster, und Pätzold stand deshalb zunächst im Schußfeld der Kritik. Als jedoch beteiligte Beamte ihre eigene Führung für gravierende Fehler bei der Durchführung verantwortlich machten, wendete sich das Blatt. Einen Monat später beschloß der Senat in einer Sondersitzung, Kittlaus auf den Posten des Landeskriminaldirektors runterzustufen.

Das Revirement sollte einhergehen mit einer Umstrukturierung der Polizeispitze: Statt eines Landespolizeidirektors sollten unterhalb des Polizeipräsidenten und dessen Vize nur noch die Direktoren von Kriminal- und Schutzpolizei agieren. Die zügige Umsetzung der Reform scheiterte zunächst an den Bedenken der Alliierten. Doch keine drei Wochen nach dem Senatsbeschluß, im Juli 1989, setzte sich Schertz erstmals mit einer Weisung über Kittlaus' Willen hinweg. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Franke, mutmaßte damals, daß Kittlaus »zum Abschuß freigegeben wird«. Hinter dem Konfliktpärchen Kittlaus- Schertz wurde schon damals die treibende Kraft des Senators vermutet — auch wenn dieser das entrüstet von sich wies. In dem Maße, in dem Kittlaus' Stern sank, stieg Schertz in der Gunst des Innensenators, war er doch bereit, dessen Deeskalationsstrategie umzusetzen. Diese Bereitschaft trug ihm den Unwillen seiner früheren Förderer von der CDU ein.

Diesen Unwillen ließen sie den Polizeipräsidenten spüren, als sie wieder an der Macht waren. Der neue Innensenator Dieter Heckelmann (CDU-nah) ließ zunächst keinen Zweifel daran, daß sein Kronprinz in der Polizei Manfred Kittlaus heißt. Mit diesem traf er sich zu Beginn seiner Amtszeit mehrmals, um über Konzepte und Personalien zu diskutieren, und das, obwohl ihn Schertz darüber aufklärte, daß der Landespolizeidirektor in der gesamten ihm nachgeordneten Führungsebene als ein Vorgesetzter angesehen werde, der einen »rasanten Autoritätsverlust« erlitten habe.

Der Konflikt spitzte sich zu, als Heckelmann Schertz im Mai 1991 empfing, um über die personelle Besetzung der neuen Polizeidirektionen in Ost-Berlin zu reden. Wenige Stunden zuvor ließ er sich von Kittlaus über dessen Alternativkonzept informieren. Der Eklat war da, die gesamten Dezernats- und Direktionsleiter stellten sich hinter Schertz. Zwar forderte der innenpolitische Sprecher der CDU, Klaus Wienhold, den Polizeipräsidenten auf, die Kittlaus-Kritiker »zurückzupfeifen«, und drohte mit den »einschlägigen Bestimmungen des Beamtenrechts«, doch mußte angesichts der geschlossenen Beamtenfront erst mal Innensenator Heckelmann den Rückzug antreten.

Schertz sah seinen Rücken gestärkt und ging zur Offensive über. Vier Wochen später zog er den alten Pätzold-Plan zur Umstrukturierung der Polizeispitze wieder aus der Schublade. Diesmal wurde Kittlaus auf den Posten des Leiters der neugeschaffenen »Zentralen Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität« (ZERV) geschoben. Um ihm das Revirement erträglich zu machen, wurde die ZERV, neben der Kriminal- und der Schutzpolizei sowie der Verwaltungs- und der Ausbildungsabteilung, zur gleichrangigen fünften Säule der reformierten Polizeistruktur erhoben.

Kittlaus klagte zwar gegen die Degradierung, doch konnte er seine Versetzung nicht verhindern. Sein Schutzpatron Heckelmann versicherte ihm lediglich, daß er seine Bezüge auch weiterhin behalte. Kurze Zeit später füllte der Noch-Landespolizeidirektor erneut die Schlagzeilen, als er beim Rasen geblitzt wurde. Als er sich zudem mit einem Stasi- Offizier traf und von diesem mit Infos über seinen Präsidenten gespickt wurde, war das Maß voll. Heckelmann ging auf Distanz zu Kittlaus und beauftragte Schertz mit disziplinarischen Vorermittlungen gegen seinen Untergebenen.

Wegen seiner Unbotmäßigkeiten gilt Kittlaus mittlerweile auch bei seinen politischen Protegés als kaum mehr tragbar. CDU-Mann Hapel findet sein Verhalten schlicht »ungehörig, weil von Eitelkeiten geprägt«. Auch der FDP-Abgeordnete Rolf- Peter Lange, der Kittlaus immer gestützt hatte und Schertz am liebsten abwählen will, empfiehlt inzwischen eine Versetzung des »kreativen Querdenkers in der Polizei« auf eine ihm angemessene Position in einer »Konzeptionsabteilung«. Die müßte allerdings erst geschaffen werden.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, sieht in solchen Überlegungen das Grundübel der Misere. Man könne keine Lösung der Konflikte darin suchen, so der alternative Sicherheitsexperte, daß für jeden Problemfall ein eigener Posten geschaffen werde. Die Struktur der Polizei müsse nach den Aufgaben bestimmt und erst danach die personelle Besetzung entschieden werden und nicht umgekehrt. Den Regierungsparteien fällt es sichtlich schwer, sich an diesen Grundsatz zu halten. Die SPD will endlich die Reform der Polizeiführung verwirklicht wissen und fordert vom Innensenator die Einführung des Säulenmodells. Auch Hapel ist der Überzeugung, »daß die Führungsschiene verkürzt werden muß«, und das »sollte sich nicht an Personalfragen festmachen«. Doch wird hinter den Kulissen das Personalkarussell bereits kräftig gedreht. Das Problem ist, so der sicherheitspolitische Sprecher der SPD, Hans- Georg Lorenz, das Konzept mit Namen zu belegen.

Bis Ende Februar 1993 werden mit Schutzpolizeidirektor Gottfried Heinze und Kriminalpolizeidirektor Wolfgang Schinz der vierte und der fünfte Mann in der Hierarchie in Rente gehen. Dann würde die SPD gerne ihren Mann in der Polizeispitze, Vizepräsident Dieter Schenk, auch mit der Leitung der Kriminalpolizei betrauen. Doch fürchtet Lorenz die »Heckelmann-Methode«. Der Innensenator nämlich wolle mit dem zum Leitenden Kriminaldirektor beförderten Ulrich Voß einen CDU-Mann auf den Posten des Kripo-Chefs hieven und kümmere sich bereits um die Schaffung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Eine ähnliche Vorsorge beobachtet der SPDler auch bei der Heinze- Nachfolge. Um ihn in eine günstige Position im Rennen um diesen Posten zu bringen, sei der CDU-Mann Buchholz jüngst mit der Leitung einer der beiden neugeschaffenen Direktionen in Ost-Berlin betraut worden. Aus dem Polizeidirektor wird somit ein leitender Polizeidirektor, der Sprung zum Landesschutzpolizeidirektor ist dann nicht mehr allzu groß.

Insgesamt wolle Heckelmann, so argwöhnt Lorenz, sechs von elf bis Ende des Jahres freiwerdende Spitzenpositionen mit CDUlern besetzen. Gegen diese »CDU-Beutepolitik« macht die SPD mobil. Als es im März wegen des fehlenden Polizeikonzeptes zum offenen Bruch zwischen Heckelmann und Schertz kam, stellten sich die Sozis demonstrativ hinter den Polizeipräsidenten. Sie forderten den Innensenator auf, »endlich eine Gesamtschau der Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung« vorzulegen und die Führungsstruktur der Polizei zu erneuern, denn die Polizei leide unter einer »Verbürokratisierung, die beispiellos ist«. Heckelmann schob jedoch die Verantwortung für die fehlende Konzeptarbeit auf seinen Polizeipräsidenten.

Auf einer gemeinsamen Klausurtagung verpflichteten vor wenigen Wochen die SPD-Sicherheitsexperten ihre CDU-Kollegen zumindest auf einen gemeinsamen Fahrplan. Wenn Heckelmann nicht bis zur parlamentarischen Sommerpause aktiv wird, wollen die Fraktionen selbst das Heft in die Hand nehmen. Doch hat die CDU bislang noch Schwierigkeiten mit der zügigen Umsetzung der eigenen Personalvorstellungen. Sie wolle, so Wielands Einschätzung, Schertz loswerden und könne Kittlaus nicht halten. Zudem hat sie bislang nur ein kleines Reservoir, aus dem sie bei der Neubesetzung der Führungspositionen schöpfen kann. Für den FDP-Mann Lange ist das kein parteipolitisches, sondern ein generelles Problem. »Aus dem Berliner Bereich«, so seine Diagnose des Polizeipersonals, »ist keiner zu Führungsaufgaben in der Lage.« Es sollten Leute von außen genommen werden, um jene Strukturschwäche der Berliner Polizei zu beheben, für die das Gespann Kittlaus/Schertz nur ein Symptom sei.

Das Problem, so Lange, ist mittlerweile ein Problem Heckelmann geworden. Dieser müsse, fordern Vertreter aller Parteien, jetzt was vorlegen. Zumindest Wolfgang Wieland sieht den anstehenden Veränderungen auch mit einem weinenden Auge entgegen. Manfred Kittlaus war wegen seines Unterhaltungswertes unbezahlbar. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen