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„Es geht darum, daß Leute umgebracht werden“

Die Magdeburger Punks werfen der Polizei unverhohlene Sympathie mit den Rechtsradikalen vor/ Die brutale Gewalt der Skins hat keine neue Qualität erreicht, wie das Innenministerium von Sachsen-Anhalt behauptet  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg (taz) — „Er war ein ganz gemütlicher Kerl, ein eher sehr ruhiger Typ“, schildert ein guter Freund Thorsten L., der an den Folgen des brutalen Skin-Überfalls gestorbenen ist. Nach Thorstens Tod fühle er sich hilflos, sagt ein anderer. Politische Einordnungen zählten plötzlich nicht mehr. „Es geht nicht mehr um Überzeugungen, sondern es geht darum, daß Leute umgebracht werden“, meint er.

Die Magdeburger Punks sind deprimiert und wütend, traurig, aber auch unverhohlen aggressiv. Wahrscheinlich gebe es in Sachsen-Anhalt noch nicht genügend Ausländer, sagt einer in beißendem Zynismus: „Drüben gehen sie auf die Ausländer los, hier auf uns.“

Neu ist an dem Überfall vom Wochenende, daß die rechtsradikale Gewalt Todesopfer fordert. Daß die Brutalität der Glatzen aber eine neue furchtbare Qualität erreicht hat — wie das Innenministerium klagt — können die Punks indes nicht finden. „Diese Brutalität ist gar nichts Neues“, findet ein Besucher des Jugendzentrums Knast, in dem sich überwiegend autonome Jugendliche, Punks und Angehörige anderer linker Szenen treffen.

„Angst vor dieser Brutalität habe ich schon seit drei Jahren“, sagt ein junger Mann. Er spricht aus Erfahrung. Schon mehrfach sei er von Rechtsradikalen auf offener Straße überfallen worden. Zweimal mußte er mit schweren Verletzungen stationär im Krankenhaus behandelt werden, die ambulanten Krankenhausbehandlungen zählt er schon gar nicht mehr.

Der Überfall auf die „Elbterrasse“ war auch nicht der Anfang rechtsradikaler Gewalt gegen die „Bunten“, wie sie sich selbst nennen. Nachdem das autonome Jugendzentrum Knast Anfang des Monats wiedereröffnet wurde, hatten die Gäste gleich ungebetenen Besuch. Wie die Punks erzählen, wartete die Polizei in einer Seitenstraße, bis sich die Glatzen wieder verzogen hatten.

„Danach haben sich die Polizisten zwar noch ganz freundlich mit uns unterhalten“, sagt einer der damals überfallen wurde. „Aber als ich dann später auf dem Revier offiziell Anzeige erstatten wollte, war der ganze Vorgang nicht einmal im Dienstbuch der Schicht aufgezeichnet.“

Immer offener werfen die Magdeburger Punks der Polizei vor, mit den brutalen rechtsradikalen Angriffen zu sympathisieren. „Nach dem Überfall auf die Elbterrasse haben ganz normale Reviereinsatzkräfte des Polizeireviers Nord rechte Jugendliche angesprochen und sie ausdrücklich für die Ereignisse in der Nacht gelobt“, berichtet einer der Punks im Knast. „So ist hier das Verhältnis der Polizei zu den rechten Gruppen.“

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