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Besetzung »neuen Typs« in Prenzlberg

■ Baustadtrat und stellvertretender Bürgermeister besetzten Haus in der Kollwitzstraße 89/ Eigentümer will daraus Hotel machen

Prenzlauer Berg. Zu ungewöhnlichen Maßnahmen greift der Bezirk Prenzlauer Berg, um auf die akute Wohnungsnot hinzuweisen: Baustadtrat Matthias Klipp, der stellvertretende Bürgermeister Sigfried Zoels (beide Bündnis 90) und rund vierzig weitere Personen besetzten gestern das Haus Nummer 89 der Kollwitzstraße. Mit ihrer Aktion protestierten sie gegen die Absicht der Eigentümer, das gesamte Vorderhaus in ein Hotel umzuwandeln. Das Haus ist — bis auf einige gewerbliche Räume — seit Ende 1991 leer. Den Mietern war zuvor wegen Eigenbedarfs gekündigt worden. Klipp bezeichnete die gestrige Aktion als »Besetzung neuen Typs«. Im Unterschied zu DDR-Zeiten, wo sanierungsbedürftige Häuser besetzt worden seien, handele es sich in diesem Falle um »Wohnungen im Top-Zustand, die sofort wieder vermietbar sind«. Ein ebenfalls anwesender Vertreter der Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. erklärte, offenbar wird von den Eigentümern planmäßig versucht, das Haus unbewohnbar zu machen. Zahlreiche Badewannen und Waschbecken seien aus den Wohnungen entfernt worden.

Von den Besetzern hieß es, das Haus zeige exemplarisch, wie wohnungspolitische und soziale Umstrukturierung zukünftig vor sich gehen werde. Einer der Besetzer bezeichnete es als »nicht hinnehmbar, daß wir erst Altbausubstanz erhalten haben und dann der Luxussanierung überlassen«.

Als einen »Skandal« wertete Klipp das bisherige Verhalten der Berliner Senatsbauverwaltung. Sie habe bis heute den Antrag auf Zweckentfremdung nicht abschließend abgelehnt. Der Bezirk hatte im vergangenen Jahr die Umwandlung in ein Hotel untersagt. Daraufhin legten die Eigentümer bei der Senatsbauverwaltung Widerspruch ein. Der stellvertretende Bürgermeister Zoels erklärte, am Beispiel der Kollwitzstraße zeige sich, wie »zentralistisch der Senat die Tätigkeit in den Bezirken bremst«. Baustadtrat Klipp forderte den Senat auf, die Bezirke in Zukunft bei der Verfolgung von Leerstand zu unterstützen und nicht mehr »reinzupfuschen«.

Die Besetzer kündigten an, sich in dem Haus bis auf weiteres einzurichten. Von ihnen werde keinerlei Gewalt ausgehen. Man hoffe auf eine »friedliche Einigung« mit Senat und Eigentümern. Der ebenfalls eingeladene Vertreter der Eigentümer erschien nicht. Statt dessen wurde Anzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs gestellt. Während Baustadtrat Klipp und der stellvertretende Bürgermeister Zoels davon ausgehen, daß die Besetzer das Haus freiwillig verlassen werden, befürchteten die Besetzer gestern eine Räumung durch die Polizei bis heute mittag 12.00 Uhr. sev

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