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Kurzsichtig

■ Zu schnell verschwinden die Ökosteuern wieder in Brüsseler Schubladen

Kurzsichtig Zu schnell verschwinden die Ökosteuern wieder in Brüsseler Schubladen

George Bush wird aus Altersgründen die Klimakatastrophe wohl nicht mehr miterleben müssen; die um zehn bis zwanzig Jahre jüngeren EG-Kommissare vielleicht schon. Doch auch ihnen scheint die Phantasie zu fehlen, sich die Zerstörung des Erdklimas möglicherweise zu eigenen Lebzeiten vorzustellen, auf die sie gemeinsam hinarbeiten. Die USA und die EG mit ihren blühenden Wirtschaften, die durch rauchende Industrieschlote und qualmende Auspuffrohre weitaus treffender beschrieben wären, heizen die Atmoshäre am stärksten via Kohlendioxid auf. Die Reduzierung des Klimagiftes durch Reduzierung des Energieverbrauchs wäre deshalb zuvorderst ihre Aufgabe.

Ausgerechnet kurz vor dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro läßt die EG ihre nicht einmal besonders drastischen Pläne für eine Ökosteuer langsam in die Brüsseler Beamtenschubladen zurück gleiten. Und Bush fährt nur hin, wenn er absolut sicher sein kann, daß niemand von ihm Taten zum Schutz des Klimas verlangt. Zur Begründung malt der US- Präsident, zusammen mit den Industrielobbyisten der USA und Westeuropas, das Schreckgespenst der Rezession an die Wand. Umweltauflagen oder Ökosteuern verhinderten Wirtschaftswachstum, so die Behauptung. Jenseits der grundsätzlichen Abwägung, daß etwas weniger Wirtschaftswachstum weniger schadet als die voraussehbare Klimakatastrophe, ist dieser Kausalzusammenhang falsch und wird auch durch gebetsmühlenartige Wiederholungen nicht richtiger.

Denn wenn sie stimmen würde, wären nicht die Industrien Japans, der Bundesrepublik und der USA die erfolgreichsten der Welt. Die Ostblockstaaten mit ihren Altanlagen wären weiterhin wettbewerbsfähig — lähmende Umweltauflagen gibt es dort nach wie vor nicht.

Umweltschutzauflagen können sogar einen wahren Innovationsschub auslösen und somit zwar nicht sofort, aber mittel- bis langfristig das Wirtschaftswachstum fördern. Wer dieses Frühjahr auf der Hannover Industrie-Messe die Hallen der Kraftwerksbauer besuchte, sah die so gerne gegen Umweltschutzauflagen lamentierenden Unternehmer im technischen Grenzwerte-Unterbietungswettbewerb. Auslöser war die Technische Anleitung Luft, deren (aus Ökologen-Sicht nicht stark genug) verschärfte Grenzwerte in den späten achtziger Jahren ein ebenso großes Wehgeschrei in der Industrie hervorriefen, wie heute die Diskussion um Ökosteuern.

Auf höherer Ebene verhalten sich Europas und Amerikas Industriebosse genauso kurzsichtig, wie die EinzelhändlerInnen, die überall gegen die Einrichtung von Fußgängerzonen kämpfen — bis sie am Umsatz den Vorteil der Verbannung des Autos nicht mehr übersehen können. Die „größte Herausforderung“ für die europäische und US-amerikanische Industrie ist nach eigenem Bekunden die Konkurrenz aus Japan. Und Japan ist das Land mit den höchsten Umweltschutzauflagen der Welt. Donata Riedel

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