ZeugInnen gesucht!

■ Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft will mit Hilfe von ZeitzeugInnen die Geschichte des »Instituts für Sexualforschung« rekonstruieren

Berlin. Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft sucht ZeitzeugInnen, die die Geschichte des »Instituts für Sexualforschung«, 1919 von dem jüdischen Arzt gegründet und 1933 von den Nazis zerstört, weiter erhellen können.

Die 1982 in West-Berlin gegründete Gesellschaft hat seit einigen Monaten in Ost-Berlin via ABM-Stellen eine Forschungsstelle eingerichtet. Ihr Ziel: die Rekonstruktion der Geschichte des Instituts über das Aufspüren von überlebenden ZeitzeugInnen, verstreuten Dokumenten und vergessenen Nachlässen. Für 1994, zum 75. Jahrestag der Institutsgründung, soll eine Ausstellung vorbereitet werden.

Alles, was nicht verbrannt wurde

Insbesondere suchen die MitarbeiterInnen Menschen, die die auf unserem Foto dokumentierte Plünderung der Institutsbestände am 6. Mai 1933 durch Sportstudenten miterlebt haben: Absolventen der Hochschule für Leibesübungen, die dafür abkommandiert waren, zufällige PassantInnen oder auch Verwaltungsangehörige, die mit der »Abwicklung« des Grundstücks in Berlin-Tiergarten beschäftigt waren. Außerdem möchte die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft ausfindig machen, wohin die Ausstellungsbestände gelangten, die nicht der großen Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933 anheimgefallen sind: Schausammlungen sexualmedizinischer Präparate, Liebesmittel, sexuelle Fetische, ethnologische Funde.

Ferner werden ZeugInnen gesucht, die sich an die dortige Ehe- und Sexualberatung erinnern. Gibt es noch Personen, die sich ratsuchend dorthin wandten? Und leben noch damalige ZuhörerInnen der aufklärerischen Vorträge und wissenschaftlichen Weiterbildungsveranstaltungen im Ernst-Haeckel-Saal des Instituts?

Zum dritten möchte die Forschungsstelle mehr über die ehemaligen MitarbeiterInnen und FreundInnen von Magnus Hirschfeld erfahren. So zum Beispiel über die 1957 in Berlin gestorbene Margarethe Dost, die Hirschfeld in seinem Testament als gute Freundin erwähnte. Oder über die Mitarbeiter Dr. Hans Kreiselmeier, Dr. Richard Meienreis, Dr. Felix Abraham, Dr. Franz Prange, Dr. August Bessunger, Dr. Friedrich Wertheim, den Heilgehilfen E.Lausch, Peter Limann und Wilhelm Kauffmann sowie die Empfangsdame Frau Heller. Leben noch Angehörige von ihnen, die vielleicht sogar im Besitz von Briefen oder anderen Dokumenten sind?

Interessiert sind die ForscherInnen auch an den Aktivitäten von Magnus Hirschfeld, Dr. Arthus Weil, Dr. Richard Mühsam, Dr. Peter Schmidt, Dr. Arthur Kronfeld, Dr. Max Hodann, Dr. jur. Kurt Hiller, Ferdinand Freiherr v. Reitzenstein, Prof. Dr. Hans Friedenthal, Richard Linsert und Karl Giese. Sie alle waren in zahlreichen sozialen, wissenschaftlichen und zum Teil auch politischen Organisationen tätig, die sich für die Emanzipation sexueller Minderheiten und den Kampf der Frauen um ihre gesellschaftliche Gleichberechtigung engagierten. usche

Sachdienliche Hinweise bitte nicht an die nächste Polizeidienststelle, sondern an die Magnus-Hirschfeld- Gesellschaft e.V., Immanuelkirchstraße 10, 1055 Berlin (leider noch ohne Telefon).